Manakory – ein herzliches Hallo an alle zusammen!
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Auch dieses Jahr geht es wieder nach Madagaskar, und wieder nehme ich euch alle gerne mit auf eine Reise an den Rand der Zivilisation.
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Madagaskar, die viertgrösste Insel der Welt, beschäftigt uns vor allem wegen der gravierenden Abholzung und seiner unglaublichen Schönheit. Es ist wie die Welt im kleinen. Alle Wunder und alle Probleme, welche wir Global haben, finden sich auch in Madagaskar wieder. Quasi alle Nutzpflanzen können hier angebaut werden. Madagaskar hat alle Klimazonen, mit Ausnahme der ganz kalten.
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Und so können auch die Lösungen, welche wir hier erarbeiten, ein Beispiel sein, wie wir global unsere Zukunft sichern können. Nicht nur Beispiel, sondern teil eines globalen Auftaktes, Teil einer neuen Symphonie, welche bereits von Millionen von Menschen gespielt wird. Rund um den Planeten arbeiten unzählige Menschen daran, das geradezu schreckliche Schicksal zu wandeln, welches uns zu ereilen droht. Und so packen wir es auch hier an. Mit Schaufel, Picke und einem Qäntchen Hoffnung.
März 2017
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Seit rund zwei Monaten keine Neuigkeiten mehr. Nicht, dass es nichts neues gegeben hätte, es war einfach so ein dichtes Programm, dass ich nicht zum schreiben kam. Nun aber folgt ein ausführlicher Bericht. Ich freue mich, wenn ihr euch die Zeit für die Lektüre nehmt.
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Manakara – Weihnachtsurlaub.
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Wenn ein Weltretter schreibt, er mache Urlaub, dann meint er damit, er legt die die Schaufel hin und kümmert sich mal um seinen Papierkram. Im Urlaub schrieb ich die letzten Zeilen an euch. Ich hatte aber durchaus auch etwas Zeit in meinem Bungalow, für schlafen, relaxen, essen, ein Buch lesen (über Permakultur – was sonst). Desweiteren habe ich Samen gesammelt (siehe weiter unten) und mich mit Philosophie beschäftigt.
Da wir Entwicklungshilfe machen, beschäftigt mich immer wieder die Frage, wie dies zu tun sei, und ob wir das richtige tun. Offensichtlich für alle, die hier leben, geht die meiste Entwicklungshilfe schief. Das hat viele Gründe. Hier in Manakara ist ein besonders schönes Beispiel:
Die Brücke verbindet Manakara mit der Insel Manakara be. Oder sagen wir, verband die beiden Landteile, welche durch den Kanal de Pangalan getrennt sind. Solch eine Brücke hält micht richtiger Instandhaltung Jahrhunderte. Ein berümtes Beispiel ist die Golden Gate Bridge. Stahlträger und Nieten bzw. Schrauben. Das hält ewig – wenn die Brücke regelmässig gereinigt und frisch gestrichen wird.
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Es ist eine der besten Technologien, welche wir im Industriezeitalter in Sachen Brücken anzubieten haben. Viel besser, als zum Beispiel Stahl-Beton Brücken. Sie sind viel besser als Holzbrücken, und auch als Panton-Brücken. Lediglich massive Natursteinbrücken halten länger (bis heute stehen noch solche Brücken der Römer und Brücken aus dem Mittelalter). Technologie entpringt dem Geist, entspricht einer gewissen Geisteshaltung und dient immer, Bedürfnisse einer Kultur in ihrer Umgebung leichter zu erfüllen. Zum Beispiel das Bedürfniss, über einen Fluss zu kommen. Jede Kultur erfindet Technologien. Und mit Ihnen, entwickelt sich der Geist. Man kann auch sagen, dass in jeder Technologie Geist und Kultur steckt.
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Wenn wir nun unsere europäischen Technologien in ein anderes Land stellen, wie Brücken, Pumpen, Häuser, politische Systeme (soziale Technologie), Waffen, Autos… dann steckt in diesen Technologien weiterhin unser Geist. Allerdings müssen die beglückten nicht unbedingt unsere Kultur haben. Nicht unbedingt unser Geist. Und eventuell funktionieren dann die Technologien nicht so wie bei uns.
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Die Brücke in Manakara, sie braucht Instandhaltung. Dies wiederum braucht Vorrausschau, Kapitalrückstellung und eine kommunale Organisation. Alles Dinge, die in Manakara im Geist und in der Kultur der Menschen eher NICHT vorhanden ist. Wir haben die Technologie geliefert, nicht aber den Geist, um diese aufrecht zu erhalten. Und so haben die Madegassen die Technologie zwar fleissig benützt, bis eines Tages ein Laswagen eingekracht ist und hunderte Autos auf Manakara Be festsassen.
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Manche Europäer sagen bis heute, die Madegassen seien dumm. Das sind sind aus unserer Perspektive auch. Aber im Prinzip haben sie die gleichen Anlagen wie wir, sind Homo Sapiens und haben das gleiche plastische Gehirn. Sie nutzen und trainieren es aber anders. Seit vielen Jahrtausenden entwickeln wir uns unabhängig. Gleich nachdem die Brücke eingestürzt war kamen Madegassen mit ihren kleinen Booten und machten ein Geschäft aus dem Transport der Menschen von einem Ufer zum anderen. Diese Boote stellen sie selbst her, schon ein kleines Kind kann solch ein Boot sicher über den Kanal steuern und im Jugendalter lernen sie auf diesen Nussschalen auf Meer hinaus zu fahren, bei Wellen und starker Strömung, um zu fischen. Die kleinen Boote sind eine prima angepasste Technologie, sie ist nachhaltig, umweltfreundlich, aus lokalen Ressourcen. Erneuerbar und dient genau den Bedürfnissen der Menschen. Transport, Nahrungsbeschaffung, Spielzeug. Es ist eine sehr intelligente Technologie. Einer von uns Europäern würde sich nicht in solch ein Bootchen setzen können um raus auf Meer zu paddeln. Kläglich würden wir kentern und mit der Strömung auf offene Meer gespült werden.
So dumm die Weissen, würden sich die Madegassen denken… oder auch nicht, weil sie nicht so arrogant sind wie Europäer.
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Diese Beispiele geben mir immer wieder zu denken, was und wie ich genau mache. Was soll ich Ihnen zeigen, wie sie zu leben haben, wenn sie doch selbst einen eigenen Lebensstil haben? Sollte ich mich nicht eher dazu setzen, eine Schüssel Reis nehmen und zuhören?
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Nun, zwei Dinge lassen mich weiter machen:
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1. Wir Europäer haben viel Kaputt gemacht und tun dies bis heute. Da gilt es Schadensbegrenzung zu machen.
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2. Wir Europäer haben dank unserer Kultur einen globaleren und langfristigeren Blickwinkel, ausserdem haben wir die Fähigkeit des kreativen, schaffenden Geistes (Ingenieurskunst). Wir können gewisse Anregungen geben, um die schlimmsten Folgen ihres Verhaltens zu verhindern (Erosion, totale Abholzung, Überfischung…).
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Wie sie ihr leben gestalten, was wie am Ende anpflanzen und essen, wie sie Ihre Häuser und Beziehungen gestalten. Das ist wirklich nicht unsere Sache.
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Wir haben eine neue Sicht auf die Dinge. Wir möchten uns nicht mehr über die anderen Stellen, wie dies andere Europäer getan haben und immernoch tun. Wir möchten kooperieren und in Austausch treten.
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Andoarena – Januar 2017
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Nach der Weihnachtspause und rund zwei Wochen Zeit zum Ausspannen, Berichte schreiben und neue Gedanken fassen, geht es Ende Dezember wieder nach Andoarena. Das ist unser Einsatzort im Südlichen Hochland. Ich feiere Sylvester im Busch mit “meiner” Familie. Es ist eine phantastische Feier, im Zwielicht der LED Lampen, mit reichhaltigem Essen, einem guten Angebot an madegassischen Rum und einem rauschenden Radio, welches immer wieder unterbricht, wenn es in der nahen Stadt einen Stromausfall hat.
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Ich habe auch eine kleine Stereo-Anlage dabei, mit tausenden Liedern internationaler Musik. Blues, Salsa, Hip-Hop, Rock… für jeden was dabei. Nur eben nicht für die Madegassen. Sie ziehen ihre “Mozika Gasy” aus ihrem rausche-Radio vor. Und so tanzen wir wie wild bis tief in die Nacht.
Am nächsten Tag lasse ich es mir nicht nehmen gleich loszulegen. Zuerst flitze ich zu unserer Permakultur-Anlage. Letzte Nacht hat es zum ersten mal seit längerem geregnet. Und siehe da, die Swales und die Terrassen haben Wasser! Die Technologie funktioniert, sie wurde mit madegassischem Werkzeug und Handwerkskunst erbaut und es besteht eine gewisse Chance, dass die Menschen sie verstehen und in ihre Kultur übernehmen. Und… die Anlagen, welche wir gebaut haben, die gehen nicht mehr Kaputt. Sie sind von alleine stabil. Diese Gräben sammeln auch in hundert Jahren noch Wasser. Ich bin zufrieden und lasse die Anlage hinter mir.
Dann mache ich Recherchen in der Gegend, spreche mit unseren neuen Partnerbauern (mehr dazu unter: www.permapartner.org) und löse so das eine und andere Problem, welches sich ergeben hat. Wir hatten im vorrigen Jahr zwei Bauern in dieser Region. Beides Faulenzer, einer sogar ein Betrüger. Diese gilt es zu ersetzen. Bei unserer Baumpflanzaktion in Dezember haben wir aber gute Leute kennengelernt, gesehen, wer gut arbeitet – und für unser Programm auserkoren.
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Allen vorran Hughe. Ein anständiger, starker und sehr fleissiger Mann. Er ergreift Initiative und versteht, worum es bei der Arbeit geht. Er und vier weitere bilden ein Team von fünf Leuten, welche nun bei sich zuhause Terrassen bauen und Permakultur betreiben. Insgesamt werden es neun Bauern in der Region. Weit mehr, als ursprünglich geplant. Noch gibt es keine Partner aus Europa, die werden aber schon kommen. Wir vertrauen auf Zanahary, den wahren Gott der Madegassen.
Je mehr ich die Sprache der Menschen spreche, desto mehr habe ich Einblick in die Seele und die Philosophie der Menschen. Ihr höheres Wesen, welches wir als Gott bezeichnen würden, wurde durch die Kolonisierung ausgetauscht. Aus Zanahary wurde Andriana-manitra. Aber ein Andriana ist ein Adliger, kein Gott.
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Andriana, die Adligen, Hova, die freien Bürger, und Andevo, die Sklaven. So war einst die soziale Ordnung Madagaskars. Die Aristokratie wurde nicht wie bei uns durch eine bürgerliche Revolution beendet, sondern durch die Kolonisation. So hat sich auch nie der Geist der Menschen befreit. Und bis heute hat sich ein extremes Selbstverständnis für hyrarchische Ordnung erhalten. Die meisten Menschen sind sehr untertänig (aber leider nicht loyal). Ich als Weisser bekomme das sehr stark zu spüren, ich bin ein sehr “hohes” Wesen in ihrem Verständnis. Jeder hofiert uns. Teilweise offentsichtlich vordergründig, mit einer tiefen Abneigung dahinter.
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Wenn ich mich als Deutscher erkenntlich gebe, also kein Franzose bin, verschwindet diese Abneigung meistens. Das hilft.
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Die Hyrarchie der Madegassen basiert nicht mehr unbedingt auf der Herkunft, sondern eher auf Eigentum, Geld, Position im Staatsapparat oder Verwandschaft mit demselben. Auffällig ist aber, dass oftmals alte Andriana-Familien eben diese guten Positionen besetzen. Fast alle bisherigen Präsidenten waren Andriana. Landbesitz, Bildung und Beziehungen helfen dabei.
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Mit der Kolonialisierung wurde viel Zerstört in dem Land. Die aufrichtigen Andriana wurden verfolgt, entmachtet und ermordet, während andere Adlige mit den Weissen kollaborierten. Wie ein alter Andriana mir erzählt, gab es “Andriana tsara” und “Andriana ratsy”, also gute und schlechte Adlige. Klar, die schlechten haben mit den Weissen kollaboriert, das Volk verraten und sich am Ende sogar zu Gott beflügelt gefühlt – Andriana Manitra – der wohlriechende Adlige.
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Heute liest man in der neuen Religion, der Bibel, Andriamanitra als Name Gottes, und nicht Zanahary. Die Adligen haben sich wirklich vergöttlicht.
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In Wirklichkeit wurden sie alle zu Andevo der Weissen, zu Sklaven und Sklavenaufsehern. Die Einführung des Geldes, von Steuern und Eigentumsrecht; Von Polizei, Militär und westlicher Verwaltung, vor allem aber der neuen Religion, hat dem Volksglauben, dem Selbstwertgefühl und der Eigenständigkeit der Menschen den Rest gegeben. Bis heute wird jeder, der sich wirklich fürs Volk einsetzt, von den herrschenden Eliten mit Unterstützung der westlichen Mächte elimininert. Zumindest aber wird es den Anständigen Menschen sehr schwer gemacht. Bis heute ist Madagaskar, wie soviele andere Länder, Kolonie des Westens. Kolonisiert durch Medien, internationale Verträge, das Zentralbanksystem, Bildung der Eliten im Westen und nicht zuletzt durch direkte Gewalt und Einflussnahme unserer Geheimdienste und Militärs.
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Es ist kein besonderes Geheimnis. Eigentlich weis es jeder hier, mit auch nur wenig politischer Bildung. Und das ist schön hier. Alles ist recht transparent. Keiner streitet es ab. Es braucht keine Verschwörungs-Fahndung. Die Korruption ist offen sichtbar. Noam Chomsky aus den USA hat es folgendermassen beschrieben: Die USA stehen ganz oben als imperiale Macht, die Nato-Staaten sind die Vasallen, welche Tribut und Truppen zu stellen haben, und die “Dritte Welt” sind die Kolonien, welche ganz unten stehen, Rohstoffe und Sklaven liefern. Die Achse China-Russland ist der Konkurrent, welchen es klein zu halten gilt. Und all das ist wichtig für uns in der Entwicklungshilfe. Denn in diesem System ist keine ernsthafte Hilfe von “oben” und “aussen” zu erwarten. Und noch wichtiger ist es, zu verstehen, dass wir hier in Madagaskar in einer Aristokratie leben.
Alter Adel und neuer Geldadel beherrschen dieses eigentlich sehr reiche Land. Dadurch wird die Mehrheit der Bevölkerung Arm, weil einfach jeglicher erwirtschafteter Wohlstand gleich vom Adel konfisziert wird. Das geht los bei der Reisernte, welche durch ein fieses System von Lageraltung und Handel geklaut wird, über die Minen, welche am Volk vorbei ausgebeutet werden, bis hin zu Steuereinnahmen, welche direkt abgeschöpft werden, ohne dass es wirklich ausreichende Staatsdienste geben würde. Dadurch fehlt es an öffentlichem Bildungswesen, Gesundheitswesen, Sozialsystemen, Rechtsstaat, Strassen, Brücken…
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Man stelle sich das dunkle Mittelalter in Europa vor. Aristokratie, Leibeigenschaft, Tagelöhner. Die Mehrhheit der Menschen in prekärer Lage. Arm, unterernährt und in hygienisch schlechtem Zustand. Wenn in diese Situation ein Chinese zu Besuch gekommen wäre – kultiviert und aus einer Gesellschaft, in welcher deutlich mehr Geschäftsfreiheit und Breitenwohlstand bestand, er hätte sich die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen. “Diese primitiven, und all diese Armut.” Vielleicht hätte er beschlossen zu helfen. Da der Chinese aus der Literatur nur Latein gelernt hätte, hätte er nur mit den Adligen und Kirchenleuten sprechen können (so wie hier in Madagaskar die Weissen mehrheitlich nur französisch sprechen und somit fast nur mit dem Adel kommunizieren können, aber nicht mit dem normalen Volk).
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Die Adligen mögen dem Chinesen wohl mit heuchlerischer Aufmerksamkeit gefolgt sein, ohne zu wiedersprechen, ohne zu erwähnen, dass die Aristokratie, also sie selbst, der Grund für die Armut sind. Bestätigend “ja, das ist wirklich schlimm, dass mit der Armut. Die Leute haben einfach nicht genug…” Mit Blick auf auf den Reichtum des Chinesen, welchen Sie interessant finden. Der Chinese bietet an zu helfen, und bestätigte grosse Mengen an Gold in einer Truhe dabei zu haben. Die Adligen sind erquickt, und sagen dem Chinesen sofort zu, alles zu tun, um die Armut zu beenden.
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Zufrieden lässt der Chinese die Truhe voller Gold bei dem Adelsstand und reist nach Hause, im Glauben, nun ein “guter Mensch” zu sein. In Wirklichkeit aber nutzt der Adel das Gold für sich, und kann damit die eigene Stellung ausbauen. Die Entwicklungshilfe wird zum Entwicklungshemmnis. Und jedes Jahr kommt nun nach China ein Bericht, in welchem die Adligen schreiben, wie gut es vorran ginge: “…doch die Arbeit wäre sehr herausfordernd und benötige deutlich mehr Gold, um wirklich Erfolg haben zu können.”
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“Entwicklungshilfe ist, wenn die armen Menschen der reichen Länder den reichen Menschen der armen Länder Geld geben.”
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Auch dies gehört zu den Gründen, warum die meiste Entwicklungshilfe in die Hose geht, oder sagen wir, in die Taschen der Korruption.
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Und so lernen wir fleissig Madegassisch, leben mit den armen Menschen zusammen, auch wenn es nicht immer sehr angenehm ist, und passen sehr genau auf, wem wir was geben. Wir wollen echte Hova unterstützen, und Andevo zu Hova machen. Manch ein vorheriger Tagelöhner ist Permapartner. Und wird damit zum eigenständigen Bauern.
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Entwicklungshilfe ist weit mehr, als einfach Dinge zu verteilen. Es ist die Konfrontation mit einem sehr, sehr alten System.
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An unserer Anlage hier in Andoarena gibt es noch ein paar Kleinigkeiten zu machen, im Allgemeinen ist die Anlage aber sehr schön geworden. Reis, Bohnen, Soja und Mais sind freudig am spriessen. Unsere Fruchtbäume wachsen gut an und ich stelle mir verträumt den Hügel vor, wenn die Bäume gross sind.
Wir können das gemeine Volk auf ökonomisch stabile Füsse stellen. Wenn wir bei ihnen sind. Wenn wir mit ihnen zusammen arbeiten. Wenn wir ihre Sprache sprechen. Und so hoffen wir, dass sie wieder zu Selbstvertrauen finden, zu ihren kulturellen Wurzeln, zu Zanahary.
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Zanahary, danke für deine Unterstützung!
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Der Freisaatversuch:
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Wir machen nun Wald.
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Als wir die Bäume in Andoarena gepflanzt haben, da habe ich angefangen darüber nachzudenken, wieviel Arbeit es ist, Wald zu pflanzen. Wenn wir mit 60 Leuten 600 Bäume in 2 Tagen Pflanzen (die anderen hatten andere Aufgaben), dann braucht es für einen Wald unendlich viele Leute und dementsprechend Mittel. Aus ökonomischer Sicht ist Aufforstung mittels Baumschulen und Pflanzung exrem aufwendig und damit teuer. Selbst wenn wir es nicht so aufwendig machen, keine so tiefen Löcher, kein Kompost… es ist immernoch extrem viel Arbeit, wenn man an hundertausend Bäume denkt, was ja auch nicht mehr als hundert Hektar sind. Die Bäume müssen in Baumschulen angezogen werden, dann ins Feld transportiert, gepflanzt und bewässert werden. Und dann ist es immernoch problematisch, dass die kleinen auch wirklich durch die Trockenzeit kommen. Es gibt Arten, die können es, so Pinien und Eucalyptus, und so sehen wir auch fast nur Aufforstungen mit Pinien und Eucalyptus. Beides Arten, welche ökologisch nicht besonders sind – Eucalyptus wirkt geradezu destruktiv auf die Ökologie. Durch Phytonzide (Gifte) und enormen Wasserverbauch.
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Madagaskar hat etwa 50 Millionen Hektar Land, welches aufgeforstet werden muss. Schafft man es für sagenhafte 20 Cent einen Baum zu Pflanzen, dann kostet es immernoch 10 Milliarden Euro, die Insel wieder zu begrünen. Pro Hektar 200 €. Ich habe dieses Geld grade nicht locker.
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Zum Vergleich; Die Schweiz wendet jedes Jahr vier Milliarden Schweizer Franken für Entwicklungshilfe auf. Zwei Milliarden Privat, zwei von Staatlicher Seite. Man müsste also seeehr erfolgreich Geld sammeln, um einen grossen Wald zu schaffen.
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Warum eigentlich Wald machen?
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Nun, Bäume regenerieren den Boden, halten den Regen auf, beenden die Erosion, nähren das Grundwasser. Sie liefern Holz, Nahrung und viele andere Stoffe, welche nutzbar sind. Dazu sind sie schön und schaffen eine lebendige Umgebung. In einer Wüste lebt es sich nicht so gut.
Dank Bäumen gibt es Essen, klare Luft, klare Quellen und saubere Flüsse.
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Vielleicht aber am wichtigsten für uns heute ist die Klimawirksamkeit von Bäumen und von Wäldern. Bäume nehmen Sonnenlicht auf, bilden Zucker und verdampfen Wasser. Dadurch sinkt die Temperatur (im Vergleich zu keinem Wald) und die Atmosphäre reichert sich mit Wasser an. Dieses Wasser bildet dann Wolken, welche die Erde weiter beschatten. Wasserdampf hält und transportiert unmengen an Wärmeenergie. Dieser Effekt wird ausgleichend zwischen Tag und Nacht, Sommer und Winter und zwischen verschiedenen Regionen, sobald Wind den Wasserdampf bewegt. Dies kann kühlend wie auch wärmend wirken. Wasserdampf gleicht Temperaturen aus, einfach gesagt, er ist ein wichtiger Teil unserer globalen, planetaren Klimaanlage.
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Wenn grosse Flächen bewaldet sind, dann reguliert der Wald auch den Regen. Es regnet häufiger und gleichmässiger, weil Wolken gleichmässiger gesättigt werden. Ein weiterer Effekt: Ausgeglichene Temperaturen verursachen weniger Turbulenzen, also Winde und Stürme.
Wenn aber Wald entfernt wird, werden Dürren und Starkregen, Hitze, Kälte, Fluten und Trockenheiten erzeugt. Stürme und “verrücktes Wetter” entstehen. Genau dies passiert gerade auf unserem Planeten, und wir nennen es “Klimawandel”. In den letzten 10 000 Jahren haben wir Menschen mehrere Milliarden Hektaren Wald abgeholzt, eine Milliarde davon ist mittlerweile Totes Ödland. Den grössten Teil dieser Zerstörung haben wir in den letzten 150 Jahren vollzogen. Dass unser Wetter verrückt spielt ist demnach kein Wunder.
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Gerade lese ich einen Eintrag auf Facebook. Wissenschaftler können nun CO² in Gestein binden, mit einer gigantischen Maschinerie, weil CO² das Klima erwärmt. Doch in Wirklichkeit spielt es eher eine Nebenrolle beim Klimawandel. Wichtig ist Wasser. Schade, ist dies so wenig beachtet wird. Nur mit der richtigen Diagnose kann eine Behandlung gezielten Erfolg haben.
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Wirklich wichtig ist CO² im Meer, dort reichert es sich im Wasser an und lässt den PH-Wert sinken. Das Meer wird saurer, was unangenehme Konsequenzen hervorrufen kann und hervorruft. Es wird zur Zeit als eine der grössten Probleme unserer Zeit gehandelt. Und dem gebe ich Recht. Das CO² muss also in Atmosphäre und Meere verringert werden. Zuerst einmal müssen wir aufhören, weiteres freizusetzen. Und dann den Rest aus der Umwelt ziehen; Aber wie? Durch komplizierte Technologien, welche kaputt gehen, repariert werden müssen, viel Arbeit sind und selbst jede Menge Energie und Ressourcen schlucken?
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Nun, Bäume nehmen ebenfalls CO² auf, und dies in grossen Mengen. Dieses wird dann zum Rohstoff. Einerseits als Energieträger, andererseits können Zellulose und andere Baumprodukte als Grundlage für eine solare Rohstoff-Produktion dienen. Grosse Teile des CO² werden auch im Boden gespeichert, sobald sich Humus, fruchtbarer Oberboden, bildet.
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CO² kann ohne weiteres als wertvolle Ressource angesehen werden, basiert doch die meiste Produktion von Plastik auf Kohlenstoff und ist die Anwendung neuartiger Karbonfasern gerade erst am Anfang. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass der Kohlenstoff mittels Algenproduktion aus den Ozeanen gezogen werden kann. Viel zu schade, diesen Stoff in die Erde zu pumpen. Viel zu vielfältig seine Verwendung. Autos, Strassenlaternen, Möbel und Häuser, ja sogar Kleidung und Zahnbürsten können aus Kohlenstoffverbindungen gebaut werden. Wald ist eine Art, diesen zu binden und zu ernten – mit vielen positiven Nebenwirkungen.
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Deshalb also Wald. Viel Wald. Aber wie setzen wir es technisch um? Wie können wir einfach, schnell und günstig Millionen von Hektaren Wald schaffen? Pflanzen?
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Pflanzen dauert ewig…. Und so frage ich mich, ob denn Wald auch gesät werden kann. All diese kargen, trockenen Landschaften. Diese millionen Hektare an Semi Ariden gebieten in den Mittelmeerländern, in den tropischen Zonen, an den Rändern der Wüsten dieser Welt. Ich gehe spazieren, bewege diese Frage, beobachte meine Umwelt. Ich entdecke Bäume – Bäume die keiner gepflanzt hat. Pinien, Eucalyptus, Mimosa, Grevillia. Dazwischen allerlei Gebüsch und leckere Guaven. Viel zu unregelmässig stehen sie, in allen Grössen. Bei Blick aus dem Fenster meines Taxi-Brousse sehe ich trockene karge Gegenden – und immer wieder Bäume, die kein Mensch hier gepflanzt hat. Menschen hacken sie immer wieder ab, was eine Regeneration des Waldes verhindert. Menschen brennen die Landschaft regelmässig ab. Sie holzen, hacken, zerstören.
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Und doch: Ich sehe Bäume. Wenige, und doch sind sie da. An manchen Stellen oben an den Bergen sogar kleine Wälder. Pinien, welche sich von selbst verbreitet haben, nachdem es einst ein paar Pflanzungen gegeben hat. Das ist es. Bäume können aus Samen wachsen. Ohne Baumschule. Ohne Bewässerung. Ohne Töpfchen. Kein Pflanzen. Kein Giesen – Einfach sähen.
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Wenn wir die Samen etwas unter die Erde bringen, dann erhöht sich die Keimrate enorm. Samen, welche sich natürlich mit Wind und Vögeln verbreiten, fallen gerne den Ameisen und anderen Insekten zum Opfer. Oder sie finden schlicht keinen Halt, und verderben, bevor sie keimen können.
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Unsere Bauern aber sind geübt im Sähen. Mit ihren Angadys, madegassischen Spaten, sähen sie sehr effektiv Mais, Bohnen, Reis, Erdnüsse und allerlei anderes auf ihren Feldern. Warum dann nicht also Bäume?
Mein Plan reift. In meinem Urlaub verbringe ich meine Zeit nicht nur mit Büroaufgaben, sondern auch mit dem Sammeln von Saatgut. Für ein bisschen Geld unterstützt mich die lokale Bevölkerung, und so kehre ich mit rund 300 000 Samen zurück zu den Bauern. Acacia Mangium, Casuarina equisetifolia, Grevillia. Später finde ich noch Eschen, und wir probieren Papaya und ein wenig meiner heiligen Acacia Mimosa. Diese verbreitet sich normalerweise über ihre Wurzeln und ist sehr schwer zu kontrollieren. Aus Portugal habe ich aber eine Sorte, welche sich nur über Samen vermehrt und dies nur nach Feuer. Sie kann sich nicht von selbst ausbreiten. Wächst aber sehr schnell, macht einen fantastischen Humus, schützt den Boden, reichert ihn mit Stickstoff an. Es ist eine unglaubliche Biotechnologie, keine Maschine der Welt kann, was diese Pflanze kann.
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Wir suchen Land, ich bezahle Leute, und am Ende haben wir über 15 Hektar Wald gesät. Einfach so. Mit fünf Personen pro Hektar, an einem Tag. Rund 25 000 Samen pro Hektar. Einfach so. Kein Papierkram, kein grosses gerede. Keine Werbung. Kein Budgetplan, kein Projektantrag. Dies ist unser diesjähriges Experiment, ein Freissatversuch.
Sobald wir genau Wissen, wie es funktioniert, sammeln wir tonnenweise Saatgut machen tausende Hektar Wald. Und dann, wenn alles gut geht, millionen.
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Akkumuliert haben wir als Menschheit rund 2400 Milliarden tonnen CO² ausgestossen in den letzten 300 Jahren. Zeit es wieder aus der Atmophäre zu ziehen. Ein Hektar Wald kann im Jahr und globalen Schnitt über 20 Tonnen CO² speichern, eine Milliarde Hektar also 20 Milliarden Tonnen. Und all dieses CO² wird zu schönen Wäldern, Rohstoffen und guter Muttererde. Zeit die Kontinente wieder zu begrünen. Zeit, den Klimawandel abzuwenden, den Hunger in der Welt zu beenden, und mit dazu die kranke Ressourcen und Energiewirtschaft. Es ist nicht alles was wir tun müssen. Aber es steht zu 100% auf unserer globalen To-Do Liste, wenn wir eine lebenswerte und “enkeltaugliche” Zukunft wollen.
Wir sind eines unter vielen Projekten. Es gibt viel zu tun. Packen wir es an!
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Kankana
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Was der Regenwurm mit der Aristokratie zu tun hat
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Kankana, das ist Malagassy für Regenwurm; Regenwürmer. Diese fleissigen Gesellen, welche den ganzen Tag nicht anderes tun als abgestorbenes Pflanzen-Material zu fressen, Gänge zu buddeln, Erde zu lockern, zu drainagieren und zu belüften und nicht zuletzt Humus zu hinterlassen.
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Regenwürmer. Ich philosophiere stets mit den Madegassen, und stelle Fest, das Regenwürmer einen enormen sozialen Einfluss haben.
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Wie komme ich darauf?
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Nun, Regenwürmer, zusammen mit dem Bodenleben im Gesamten, bearbeiten die Erde, machen sie fruchtbar, bereiten die Erde für Pflanzenwachstum. Es ist sogar so, dass, wenn sich einer dieser fleissigen Gesellen in die ewigen Jagdgründe verabschiedet, seine Röhren nicht durch einen neuen Regenwurm besetzt werden. Jeder Regenwurm legt sein eigenes Röhren-Netzwerk an. Und seine Röhren kleidet er stets mit Regenwurm-Dung aus, verklebt diese als stabile Strassen für das Bodenleben, und für Wurzeln. Regenwürmer können bis zu drei Meter tiefe Gänge graben und bearbeiten. Se durchlüften damit die Erde tiefer als jeder Spaten, jeder Pflug und jede Egge. Die einzige Vorraussetzung für diese unglaublichen Leistungen ist genügend Futter – und, dass man den Würmchen ihre Ruhe lässt.
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Umgraben, Abbrennen, Pflügen, Künstdüngergaben und all die anderen Aktivitäten vom Menschen stören den Regenwurm. Lassen wir die Erde unbedeckt (was quasi alle Felder sind), verliert Regenwurm Nahrung und Schutz, die Erde schwemmt ein und trocknet dann oben zu harter Kruste. Regenwurm und all das andere Bodenleben finden das so garnicht gut. Sie werden weniger, bis hin zu fast totalem verschwinden. Damit aber geht auch ihre Leistung verloren. Ohne Luft kommt anaerobes Leben und zersetzt den fruchtbaren Humus. Die Erde wird hart und unfruchtbar.
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Und was tut Mensch dann?
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Anstatt das Problem zu verstehen und zu lösen, haben die meisten Landwirtschaftskulturen Behelfstechnologien enwickelt. Sie werden als grosse Errungenschaften unserer Zivilisation verstanden, sind aber nicht mehr als Krücken von Menschen, welche die Natur nicht recht verstehen. Hacken, Spaten, Pflüge. Traktoren. Eggen. Dünger.
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Weil wir die Regenwürmer und all seine Freunde zunichte gemacht haben, mussten wir Menschen ihre Arbeit übernehmen. Harte Arbeit. Unangenehme Arbeit. Hacken, Pflücken… für die Kankanas ihr Lebensinhalt… für uns eine Schinderei. Meine Grossmutter erzählte mir von der Arbeit früher auf dem Felde, die Einführung der Traktoren sei eine riesen Erleichterung der Arbeit gewesen. Ich glaube ihr.
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Nun, all dies begann schon vor langer Zeit. In Gesellschaften, welche weitestgehend egalitär waren. Jede Position in der Gesellschaft war gut und keiner hatte wirklich ein Problem damit. Das waren die sogenannten Idigenen, die Naturvölker. Plötzlich gab es nun aber Arbeit. Unangenehme Arbeit, über Stunden in der Sonne stehen, Erde weich klopfen und dabei schwitzen. Um diese Arbeit wollte Mann sich gerne drücken, und so entstand zum ersten mal in der Geschichte eine ungleiche Gesellschaft. Die, welche arbeiten mussten, und jene, welche dies eher nicht so sehr taten. Menschen begannen Menschen zum Arbeiten zu zwingen. Sklaverei entsteht fast automatisch mit der Landwirtschaft, weil Feldarbeit wirklich sehr unangenehm ist. Mit der Sklaverei entsteht aber auch eine Oberschicht. Die Adligen. Die Andriana.
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Der Verlust der Regenwürner hat also in gewisser Weise die Sklaverei, die Hyrarchie und die Aristokratie nach sich gezogen.
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Wie komme ich eigentlich darauf? Ganz einfach. Ich versuche den Menschen zu erklären, dass sie die Erde abmulchen sollen und stets genügend Futter für die Erdenbewohner bereitstellen. Dann müssten sie die Erde nicht mehr bearbeiten. Wenn sie die Erde in Ruhe lassen und nach Jeder Ernte das Stroh auf die Erde legen. Dann bräuchte es keine Sklaven (heute Tagelöhner) mehr, und keine harte Plackerei. Durch meine Versuche, es auf auf wirklich einfachem Intellektuellen Niveau den Bauern zu erklären, wird mir selbst so manches Klar.
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Wenn wir dank der Regenwürmer keine Sklaven mehr brauchen, dann brauchen wir auch keine Adligen mehr. Dann brauchen wir keine Hyrarchie mehr, keine Traktoren, keine Finanzinstitute und all die anderen Derivate dieser verkommenen Geschichte. Wenn wir die egalitäre Gesellschaft mit den Regenwürmern verloren haben, dann könnten wir vielleicht dank der Regenwürmer wieder eine egalitäre Gesellschaft erreichen. Mir ist jedenfalls keine Gärtnerkultur bekannt, welche sehr Kriegerisch aufgestellt war. Immer waren es Landwirte und Viehzuchtgesellschaften.
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Und so werden unsere lieben Regenwürmer, die Kankanas, zum Finale der bürgerlichen Revolution!
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Menalamba – ein Team wächst
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Die wichtigste Aufgabe für den Einsatz 2016/2017 ist die Bildung eines Teams. Wir wollen erreichen, dass unsere Jungs vor Ort den tieferen Sinn verstehen und Begeisterung gewinnen für das Anliegen. Nur mit wirklicher innerer Motivation ist die ganze Sache nachhaltig. Unsere Arbeit ist zu 20% technisch und zu 80% Arbeit an menschenlichen und kulturellen Themen. Arbeit an uns selbst und mit den Menschen vor Ort. Es geht bewusst nicht darum, zu missionieren, sondern darum, Erkenntnis und Begeisterung zu wecken. Auf beiden Seiten. Die Beziehung zwischen schwarz und weis ist recht belastet durch die Vergangenheit der Kolonisierung und auch durch die Ungleichheit der heutigen Neo-Kolonisation. Wir wollen auf eine ganz neue Art beginnen, Beziehung aufzubauen, Vertrauen ineinander zu gewinnen und dann die gemeinsame Zukunft fokussieren.
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Und es geht ganz praktisch darum, kompetente junge Permakultur-Ingenieure auszubilden.
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Wir werden ein Team von acht Leuten sein, für fünf Wochen leben wir zusammen, arbeiten wir zusammen, schwitzen wir zusammen. Vier Schwarze, vier Weisse. Lachen zusammen, essen Reis zusammen und lernen einander immer besser kennen. Wir begeben uns in ihre Welt, leben in dieser, respektieren sie, und versuchen etwas aus der unseren Welt mitzubringen.
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Unsere erste Station ist Menalamba, unser Distrikt am Rande der Zivilisation. Dort haben wir bereits sieben Partnerbauern. Wir gehen der Reihe um, zu jedem Bauern einen Tag, um Terrassen zu bauen, Swales anzulegen und die bisherigen Arbeiten zu korrigieren. Haben wir bis dahin erreicht, dass sie überhaupt was machen, geht es nun darum, dass sie es richtig machen. Unsere Studenten bekommen die Aufgabe, die Arbeiten zu planen und zu leiten, jeden Tag ein Stück mehr. Und die Anlagen werden wirklich toll.
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Francois und Solo, vormals Tagelöhner, bekommen nun so richtige Extra-Klasse-Anlagen. Besät, Bepflanzt und bemulcht sind sie bereit, den nächsten Regen zu erwarten. Dieser ist im Dezember ausgeblieben und auch im Januar lässt er auf sich warten. Es ist DAS Gesprächsthema nummer eins. Januar ohne Regen, das hat es noch nie gegeben. Wir erleben live eine Dürreperiode. Ein sehr seltsames Gefühl, aktiv zu versuchen den Klimawandel zu beeinflussen, während er geschieht. Hier ist es nicht wie bei uns in Europa. Hier beschweren sich die Menschen nicht über die Hitze und kaufen einen extra Ventilator. Hier verlieren die Menschen ihre Ernte, welche ihr Leben bedeutet. Wir hoffen, diese negativen Effekte durch unsere Techniken abmildern zu können.
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Wir perfektionieren unsere Terrassensysteme. Erstmals bauen wir sie nun gross genug. Je grösser die Terrasse, desto besser, bis zu einem bewissen Mass. Schmale Terrassen haben im Verhältnis zur Fläche viel Rand – Rand, welcher gepflegt werden muss. Wir bauen Terrassen von mindestens drei Metern breite, besser 5-8 Meter. Neu ist auch ein System, welches unser Deutscher Maschinenbauingenieur Felix entwickelt. Er probiert verschiedene Techniken um die gute Humose Erde nicht zu verschütten. Am Ende setzt es sich durch, die gute Erde auf der ermittelten Mitte der Terrasse zu sammeln, dann die schlechte Erde über diesen Haufen nach unten zu befördern, um die Terrasse zu erhalten. Zuletzt wird die Gute Erde dann verteilt um eine schöne, gerade Terrasse zu bauen.
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Dann bekommen die Terrassen ein Wegesystem, welches gleichzeitig Wasser reteniert. Die Beete werden immer 1,20 Meter breit und etwas erhöht angelegt, das ist das Optimum zur Bearbeitung. 60 Zentimeter Breite kann Mensch gut vom Weg aus bearbeiten, ohne auf das Beet stehen zu müssen. Ist es breiter, ist Mensch versucht, auf die weiche Erde zu stehen. Ist es zu schmal, ist der Verlust durch Wegfläche zu gross. Dann pflanzen wir an die Terrassenränder hangseitig Zitronengras im Abstand von 15 Zentimetern. Dieses dient als Erosionsschutz und gleichzeitig kann man hier in Zukunft immer Mulch schneiden. Zitronengras bildet dichte Büschel und wächst in vier bis sechs Wochen voll nach. So hat Mensch immer Futter für Regenwurm und Kollegen. Nachdem die Beete fertig angelegt sind, werden sie besät und gemulcht. Noch müssen wir das Mulch von woanders besorgen, was deutlich mehr Arbeit ist. Diese Arbeit wird dann überflüssig.
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Mulchen lohnt in jedem Fall, denn durch Mulch ist die lockere Krume geschützt vor Regen, Wind und Sonne. Ausserdem hält es die Nahrungszufuhr für das Bodenleben aufrecht. Wenn geerntet wird, schneiden wir die Pflanzen ab und belassen die Wurzeln im Boden. So wird bis in die Tiefe gefüttert. Die Früchte und Samen nimmt Mensch mit, das Stroh legt Mensch auf die Beete und hat so die Mulchschicht erneuert. Alternativ kann das Stroh auch an Tiere gefüttert werden und deren Dung auf die Beete gebracht werden. So wird noch eine Ernte zwischengeschaltet. Sobald als möglich wollen wir Hasen einführen. Diese sind niedlich, lecker und machen prima Dünger. Ausserdem ist Hasenfutter leicht zu aquirieren (im Vergleich zum Beispiel zu Hühnerfutter), der Bestand leicht zu vergrössern und zu verkleinern, und ausserdem sind Hasen eine gute Portion. So ist eine Kuh zu schlachten, ja selbst eine Ziege, deutlich mehr Umstand. Ein Hase ein gutes Mittagsessen. Die Leserin möge bedenken, hier draussen gibt es keine Kühlschränke.
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Die Hänge zwischen den Terrassen werden mit Bananen, Zuckerrohr, Ananas, Süsskartoffeln, Maniok und allerlei anderem bepflanzt. Das stabilisiert die Hänge und erhöht die Ernte nochmals enorm. Ausserdem produzieren Bananen und Zuckerrohr jede Menge Biomasse – dies hilft uns die Erde aufzubauen. Mittelfristig ersetzen wir sie durch wertvollere Früchte. Mangos, Litschis, Pfirsiche, Pflaumen, Avocados, Café, Cacao….
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Die tägliche Arbeit schweisst uns zusammen. Und nach dem zehnten mal den gleichen Fehler zu machen, beginnen unsere Studenten sogar ein bisschen, selbst nachzudenken. Spätestens bei der vierten Farm lief es dann richtig gut. Wir sind ein eingespieltes Team, die Madegassen machen die Planung mehrheitlich selbstständig – genau das ist unser Ziel. Zwei der Studenten betreuen in Zukunft Permapartner-Bauern. Ihre Aufgabe wird es stets sein, Permakulturanlagen zu planen und die Umsetzung zu begleiten. Diese Arbeit bereitet sie darauf vor.
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Mittags kocht immer die jeweilige Bauernfamilie, Abends kochen und essen wir zusammen in unserer bescheidenen Unterkunft. Wir reden als noch etwas, machen einige Lektionen. Dann fallen wir totmüde ins Bett – oder besser gesagt, auf Isomatte und Strohsack.
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Felix und ich schlafen etwas ausserhalb. Wir squatten einen alten Bungalow, welcher eigentlich für Ökotouristen da wäre, die aber nie gekommen sind (das war mal eine “Entwicklungshilfe” Projekt). Das Dach ist schon etwas zerlöchert, die Fenster fehlen. Und so haben wir frische Luft und Sternenhimmel. Schöner wohnen mal anders.
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Jeden Tag starten wir um halb sechs aus unseren Schlafsäcken, rollen Isomatte und Mückennetz auf und beginnen unsere Tagewerk. Nicht, ohne dass zuerest jeder seine Schüssel Reis gefuttert hat. Die gibt es zum morgen, zum Mittag und zum Abend. Abwechslung bietet die Beilage. Morgens Bananen und Honig, Mittags Bohnen, abends Gemüse, welches Felix zur Freude aller besorgt hat. Nono, einer der Studenten, kocht es mit grosser Hingabe zu echt leckeren Kombinationen. Zweimal gab es sogar Nudeln.
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Wir hätten auch Hühnchen kaufen können, eine Köchin einstellen. Wir könnten allen Luxus mit hierher nehmen. Es wäre nicht einmal teuer. Aber wir wollen uns auf die Arbeit konzentrieren und nicht das ganze Bild hier durcheinander bringen und die sozialen Gefüge. Zuviele Weisse verwöhnen ihre Angestellten und Mitarbeiter. “Sie müssen ja anständig bezahlt werden.”. Ehrlich, die meisten, welche “gegen die Armut” kämpfen, haben sie selbst nie erlebt. Nie mit den Menschen gelebt. Es wird von oben herunter geholfen. Aus Hotels, aus Sitzungszimmern und teuren Geländewagen. Wir kommen mit Second-Hand Fahrrädern vom Schrott. Mit Second Hand Kleidern und alten Handys. Den Luxus lassen wir zuhause. Wir sind immernoch die Super-Reichen hier. Aber da ist keine Mauer mehr, keine unsichtbare Wand. Manchmal vergessen wir ganz unsere Unterschiede. Schwingen unsere Schaufeln, schwitzen. Essen Reis.
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Irgend ein schlauer Propagandist hat einst den Term “dritte Welt” erfunden. Dadurch trennen wir uns emotional vom Opfer – so wie wir “target” sagen und “Feind”, anstatt “Nachbar, den wir für unseren Boss töten gehen”. Entmenschlichung und Entfremdung ist die Grundlage für jedes Verbrechen. So auch unsere Ausbeutung der “dritten Welt”. Es sind Menschen wie wir, anders, total anders, und doch Menschen. Gleichwertig. Und anders. Es lohnt sich, sie kennen zu lernen!
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Manche ganz tollen Gutmenschen nennen es nun nicht mehr die dritte Welt, und auch der Begriff “Entwicklungsländer” ist mittlerweile aus der Mode gekommen. “Globaler Süden” muss man nun heute sagen, wenn man den die Worte Mitmenschen und Nachbarn vermeiden möchte. Und als Investor sagt Homo Economicus “Emerging Market”.
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Alles Scheisse. Wir haben recht den Verstand verloren, wir im “globalen Norden”. Oder wurden wir um den Verstand gebracht?
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Hier mit den ärmsten der Welt, im Kampf um Ernte, Wälder und Erosion erkennen wir es. Das Leben geht nicht ums Geld, um Rentenkassen, um Gartenzaun und Auto. Das Leben ist heilig, es gilt, ehrenvoll zu leben. Glücklich, zufrieden und erfüllt.
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Das Leben, das ist viel fundamentaler. Doch irgendwie wurde bei uns das ganze Leben in Plastik verpackt und im Supermarkt verkauft. Was bleibt sind Menschen, welche in der Illusion der Werbung, der reality Soaps und Lifestyle Magazine leben. Menschen, die keinen Lebens-Inhalt haben, sondern nur Lebens-Hüllen, welche ihnen von Schule und Medien umgelegt wurden. Diese Hüllen bestehen aus Konsum und einem gesellschaftliches Theater, in welchem Fassade, “Styling”, Etikette und dergleichen Zählen. Was eigentlich zählt im Leben, nun…
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Gerne würde ich dies alles meinen madegassischen Freunden hier erzählen. Als Warnung. Und als Anerkennung, dass sie noch sehr viel mehr vom Leben verstehen, als sie selbst wissen. Sie wollen aber so sein wie wir. Wollen tolle Kleider, Handys und Konsumprodukte. Wir können sie verstehen. Wie sollen wir es ihnen verübeln?
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Noch ist hier das soziale Leben wichtiger als anderes, noch ist man zusammen, egal wieviel man hat. Ich hoffe, sie verlieren diese Werte nicht. Freundlichkeit. Geselligkeit. Toleranz. Fihavanana – “die Beziehung zwischen uns”. Darum geht es doch im Leben. Das Leben ist der Sinn des Lebens. Und nicht die Mittel, welche uns leben lassen.
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Und so versuchen wir nicht, ihnen viel Geld und Dinge hierher zu bringen, sondern die natürlichen Reichtümer zu schützen, wieder aufzubauen und zu regenerieren.
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Sehr viel rede ich hier über Philosophie. Rege die Studenten dazu an, über den Sinn des Lebens zu grübeln. Denn einfach noch mehr Konsum-Menschen zu schaffen, dass kann nicht unser Ziel sein. Und so achten wir mehr auf die Arbeit, denn dies schafft Charakter.
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Wir bauen unseren ersten Teich. Nach einem Tag Planung stellen wir 50 Leute ein, welche mit Schaufeln und blossen Händen über die fünf Tage rund 150m³ Material bewegen, um den Damm zu bauen. Zuerst heben wir einen Graben aus, um jeglichen Schwemm-Sand im Talboden zu entfernen. Sodann füllen wir diesen mit Lehm und stampfen ihn. Dadurch entsteht ein dichter Lehmkern, welcher das Wasser zurück hält. An der Stelle des Lehm-Aushubs entsteht ein rechtes Loch, so erhalten wir eine Tiefwasserzone. Am Ende sieht der Damm garnicht so gewaltig aus, das meiste ist unter der Erde. An der höchsten Stelle ist der Lehmkern rund drei-einhalb Meter hoch. Der Damm aber erhebt sich kaum 1,5 Meter über der Erde.
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Rund 400m² wird die Wasserfläche sein. Das kann im Jahr 400kg Fisch geben. 50% davon werden für 10 Jahre an unsere Organisation gehen, um weitere Investitionen zu tätigen.
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Das wichtigste ist aber, dass wir mit einfachen Mitteln, mit den Mitteln der Menschen vor Ort, grosses erreichen. Unsere Parole “Miara Miasa – Gemeinsam Arbeiten” führt den Menschen vor Augen, wie stark sie gemeinsam sind. Wenn die Menschen sagen: “uns fehlen die Mittel”, dann haben wir sie hiermit gegenbewiesen. Wir nutzen alles, was wir vor Ort finden. Und nicht mehr. Ausser unser Wissen und unsere Kreativität. Und diese hoffen wir, dass sie ansteckend ist. Es wird noch eine Weile dauern, aber an einem Tag der Funke überschlagen.
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Die schlimmste Folge der Kolonisation war die Zerstörung von Kultur, Selbstwert und Selbstbewusstsein. Die Menschen wurden gebrochen. Wir wollen bunte Flicken draufkleben und eine farbige neue Kultur anregen. Zuerst im kleinen Kreis, in unserem Team, und dann immer mehr.
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Durch unsere praktische Arbeit brauchen wir nicht so viel zu reden, denn die Arbeit selbst ist das Transportmittel unserer Nachricht an die Menschen. Wir schaffen keine Machbarkeitsstudien – wir schaffen Fakten.
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Menlamba läuft prima, wir bauen für sieben Bauern genügend Gärten um sich zu ernähren und einen leichten Überschuss zu haben, wir bauen unseren ersten Fischteich und wir haben unseren Schulgarten auf Vordermann gebracht.
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Das wichtigste aber: Wir gehen als Team zum nächsten Einsatzort. Wir haben die Brücke geschlagen. Wir haben ein neues Miteinander von Schwarz und Weiss.
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Felix. Unser Hühne. Unser Ingenieur. Luisa. Unser fleissiges Bienchen aus Deutschland. Nono. Unser Chefkoch, der schaufelt als gäbe es kein Morgen. Jean Noel, unser konservativer, arbeitet sehr bedacht und ordentlich. Clement. Er ist Stockschwul, darf es aber leider nicht sagen (homosexualität ist strikt untersagt und unterdrückt hier). Wir alle haben ihn ultra gerne! Loic, unser Filmemacher aus Deutschland. Und zuletzt Rivo und ich, welche endlich ein paar neue Buddies haben. Rivo ist recht nachdenklich in letzter Zeit, er hat im Dezember seine Mutter verloren. Mit 20 Jahren ist er nun Vollwaise, muss die Farm führen und sich um seinen kleinen Bruder sorgen.
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Wir sind ein Prima-Team. Unser nächster Einsatz-Ort ist Sahamamy. Dort planen und bauen die Jungs fast selbstständig eine Anlage, welche Grundlage werden soll, um eine Permakulturschule zu errichten. Die Konzeptidee ist einfach: Die Studenten Bauen selbst die Anlagen, bauen Häuser und andere Facilities, pflanzen an und ernten. Sie produzieren alles nötige zum Leben, lernen dabei, wie dies geht, und benötigen dadurch kein Schuldgeld. Die Überschüsse können sie verkaufen um weitere Mittel zu kaufen. Und den Rest können Volunteers aus Europa mitbringen. Bis dahin ist es noch ein langer Weg, aber der Anfang ist gemacht.
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Als alles fertig ist fängt es an zu regnen. Nach der ersten Dürre in der Geschichte der Region beginnt es am achten Februar zu regnen. Starke sechs Wochen zu spät.
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Zum Abschluss fahren wir gemeinsam nach Antananarivo, der Hauptstadt, wo wir etwas ausserhalb einen Schulgarten bauen. Dies ist ein solch ein besonderes Projekt, dass ich es euch das nächste mal eingehender Beschreibe. Spätestens dort entwickeln unsere Jungs etwas wirkliches seltenes hier: Stolz.
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Sie denken selbst mit, organisieren, planen, übernehmen Verantwortung. Gemeinsam erreichen wir grossartiges. Und dies macht mich, wenn ich das Team sehe, auch sehr Stolz.
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Danke für diese Zeit. Nono, Lulu, Flix, Loic, Rivo, Cle, Jean Noel! Danke!
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Rivo fährt mit Werkzeug für fast 20 neue Bauern im Gepäck nach Hause. Er wird im nächsten Jahr verantwortlich sein für den Bau von 24 Bauernhöfen.
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Jean Noel betreut 15 Bauern. Und beide bauen selbst auch ihre Ländereien zu Permakultur-Anlagen.
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Clement wird der Schulgärtner von Maromahatsinjo.
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Und Nono, unser Koch… der wird Parkmanager im Norden des Landes, in einem kleinen Privatreservat. Ausserdem wird er Andi helfen, einem schweizer Freund, welcher in Diego eine grosse Permakulturanlage plant und umsetzt. Andi hat ihm diese Ausbildung ermöglicht. Ein Dank nach Diego.
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Felix, Loic und Luisa werden zurück nach Europa gehen, ich hoffe inspiriert, auch unseren Kontinent Europa nachhaltiger zu gestalten. Mit Permakultur, einer positiven Antwort auf die Probleme unserer Zeit.
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Antananarivo – eine Traurige Schlappe für den Naturschutz
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Ich gehe breits ein paar Tage früher weg von Sahamamy. Ich möchte in Antananarivo noch Erledigungen machen, unser nächstes Projekt vorbereiten und die Leute von Asity treffen, dies ist eine Naturschutzorganisation, welche die Aufgabe hat, in Menalamba den Naturschutz umzusetzen. Es sind Ornithologen, zu aller erst, und Grossstädter. Bei uns draussen im Busch sehen wir sie sehr selten bis quasi nie. Ich möchte sie mal sprechen, weil in letzter Zeit spitzt sich die Lage in Menalamba zu.
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Erinnern wir uns; Menalamba ist eigentlich ein sehr grosses Naturschutzgebiet, welches aus einem grossen Sumpf und sehr viel Wald besteht (bestand…). Vor allem das Feuchtgebiet ist sehr speziell, es steht unter einem internationalen Schutzabkommen, dem sogenannten RAMSAR Schutzabkommen für Feuchtgebiete. Feuchtgebiete gehören zu den bedrohtesten Lebensräumen auf dem Land, wegen Drainagierung und Nutzbarmachung für Landwirtschaft. In Europa sind fast alle Sümpfe verloren gegangen. Und hier in Madagaskar ist es auch fast soweit. Sümpfe sind prima, um Reis anzubauen, und ratet mal, was Madegassen gerne essen…
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In Madagaskar vergibt der Staat Konzessionen für Naturschutz an private Organisationen, welche dann mit westlichen Hilfsgeldern Naturschutz umsetzen (sollten). Dies ist eine sehr clevere Strategie, kostspielige Staatsaufgaben an andere abzuwälzen, während die lukrativen Teile (Nationalparks) an korrupte Staatorganisationen gehen. Hier bei uns ist diese Organisation eben Asity, Birdlife International Partner, und zur grossen Ausnahme “national” finanziert – von der grossen Mine nebenan. Ein Schelm, wer böses vermutet.
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Nun, zumindest die nationale Koordinatorin (um nicht Chefin zu sagen) ist sehr nett. Wir kennen uns schon seit über einem Jahr, seit ich sie das erste mal in Tana getroffen habe. Ihr Team vor Ort ist, naja, mit Dingen beschäftigt, die mir schleierhaft sind, und so will ich wieder nach Tana ins Zentralbüro. Ich frage, was denn genau der Plan von Asity vor Ort ist, aber so wirklich viel Plan gibt es nicht. Es wird vor allem klar, dass die lokale Korruption sie angegriffen hat. Aus lauter Angst haben sie mehr oder weniger klein beigegeben, was ich sogar recht verstehen kann. Denn es sind Business-People, der Bürgermeister, die Polizei, die Gendamerie, und bis hin zu den regionalen Behörden in der nahen Stadt Moramanga sind alle verstrickt im Geschäft mit Land, Edelholz, Holzkohle und Reisfeldern.
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Sie aber sind Ornithologen, und so wie auch bei uns, haben viele Naturliebhaber nicht gerade Reiszähne und noch viel weniger Phantasie, wie man Probleme lösen kann. Sie sind viel zu lieb, um MAFIA zu verstehen und geschweige denn zu bekämpfen. Sie haben sogar den Sohn eines der Obermafiosis als ihren lokalen Vertreter erkoren – “ausversehen”, wie sie sagt. Entweder sind sie wirklich so einfältig, oder sie haben damit die weisse Fahne geschwenkt und das Handtuch geworfen. Nicht so gut.
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Nun, ich erkläre ihr nochmals unser Programm, zeige auf, wie wir das Problem der Brandrodung lösen können. Dass wir die Landwirschaftsflächen verringern können, den Wald wieder aufbauen und die Fragmentierung desselben rückgängig machen können. Mit neuer technik und Methode, im Konsens mit der Bevölkerung. Wir tun es ja bereits heute.
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Was wir mit der MAFIA machen, dass weis ich auch nicht. Dann läd mich die Koordinatorin zu einer Konferenz ein mit allen Stakeholdern in Menalamba, ich lehne ab. Zeitverschwendung. Ich bitte sie, uns offiziell zu ignorieren und unser Engagement herunter zu spielen. Da muss sie garnicht viel machen, die MAFIA versucht uns schon länger als verrückte Idioten zu stempeln. Wir beschliesen aber, verdeckt daran zu arbeiten, etwas an der Situation zu ändern. Wie, das weis ich auch noch nicht. Ich verlasse mich auf Zanahary.
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In den Wochen der Dürre sind einige Waldbrände ausser Kontrolle geraten, einer hat über 50 Hektar Wald vernichtet. Es brannte über drei Wochen. Alle haben zugeschaut. Keiner hat was getan. Auch Asity nicht.
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Ich verlasse ihr Büro, etwas ernüchtert und traurig, dass wir gerade nichts ausrichten können. Dass die MAFIA so mächtig ist und den Naturschutz einfach so blockieren kann. Ich richte ein Stossgebet ein Zanahary, wünsche mir starke Freunde. Es muss doch Leute oben in der Verwaltung geben, die Anstand in der Brust und Eier in der Hose haben.
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Noch am selben Abend erhört mich der grosse Geist. Ich treffe einen echt coolen Andriana, er versorgt mich mit Kontakten und wir unterhalten uns die nächsten drei Tage in jeder freien Minute, welche wir finden.
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Damit verabschiede ich mich für heute, beim nächsten und letzten Bericht für diese Saison berichte ich euch, wie der Bau des Schulgartens lief, was wir in Sachen Korruption erreichen konnten und wie wir die Permakultur zu abertausenden Bauern bringen werden.
Im folgenden die älteren Berichte, für all jene, welche sie noch nicht gelesen haben.
Ich grüsse auch herzlich,
Lukas
Menalamba – Dezember 2016
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Wie immer fahren wir mit dem Velo raus in den Busch. Die grossen Städte und die Zivilisation lassen wir hinter uns. Nur kurz, eine Stipvisite. Wir müssen unsere alte Station verlassen – politische Intrigen haben uns nun letztendlich dazu veranlasst.
Es fühlt sich befreiend an. Den ganzen alten Stress hinter uns lassen und in unser neues Dorf ziehen, wo wir freundlich empfangen werden. Nun gilt es alle Anlagen zu inspizieren und mit den Farmern zu sprechen.
Die Grosse überaschung kommt gleich zu Beginn. Rivo, unser Gärtner in dem Schulgarten, Student und Verantwortlicher für das Permapartner-Programm. Rivo hat sein eigenes Land ebenso zu einer Permakulturanlage verwandelt und einen stattlichen Garten angelegt. So finden wir nicht nur sechs, sondern sieben Farmen vor.
Dinat, unser erster Farmer, war in Sachen Terrassenbau etwas Faul. Keine 300 Quadratmeter kamen hinzu. Dafür ist sein neues Haus fertig und alle bisherigen Terrassen sind besät. Da wir gerade am Ende einer Trockenzeit sind, und der Regen ungewöhnlich lange auf sich warten lässt, sieht man leider noch nicht viel Grün. Wahrscheinlich war er auch in Sachen Terrassen faul – oder zumindest gemütlich. Und das ist auch gut so. Denn nun, da der grösste Teil der Anlage fertig ist, ist so eine Permakulturanlage mit sehr wenig Arbeit zu bewirtschaften. Alle paar Wochen Wildkräuter beseitigen, Sähen, mulchen, Ernten. Erdarbeiten fallen quasi komplett aus. Ab und an kann man Dünger ausbringen, sofern man welchen hat. Sonst leisten die Leguminosen und die Ernteabfälle diesen Dienst.
Dinat und Lina, seine Frau, sind zufrieden. Sie haben seit zwei Jahren nicht mehr gebrannt. Es ist ein ganz kleiner Schritt, und doch eine entscheidene Wendung. Wir können die Brandrodung und die Buschfeuer stoppen. Wir können das Leben der Menschen verbessern, ohne moralischen Zeigefinder, ohne grosse Technologie, ohne sie oder ihre Kultur ändern zu wollen. Mit den einfachen madegassichen Schaufeln ist es uns gelungen. Sie können Leben wie zuvor, nur noch etwas gemütlicher. Einen weiteren Vorteil bietet es. Das neue System ist so einfach, dass es keine Landarbeiter mehr benötigt. Die schweren Arbeiten fallen quasi weg. Und so könnte es längerfristig zu einer gerechteren Gesellschaft hier führen. Wir werden sehen.
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Die anderen fünf Farmen sind von sehr gut bis ok, nur einer hat es wirklich noch nicht begriffen. Wirklich Grosses hat keiner geleistet – die Leute hier draussen im tropischen Menalamba sind einfach gemütlich. So gemütlich, dass man sich als Europäer schon manchmal zusammen nehmen muss. Es ist ihr Lifestyle, ihre Kultur. Ich bin nicht gekommen sie zu missionieren. Und wenn ihre Arbeitsmoral diese ist, so ist sie diese. Wenn wir auf hunderte und tausende Jahre hinaus denken, so ist es egal ob sie ein Jahr oder zwei brauchen für ihre Anlage. Es ist wirklich egal. Und es ist fast schon besser, wenn sie recht gemütlich sind. So streben sie danach nicht nach grossem Reichtum und übermässigem Konsum, wir wir das tun.
So sind wir zufrieden mit dem was wir sehen. Vor allem mit dem Fakt, dass die Leute anfangen zu begreifen, wie die Techniken funktionieren. Wir wollen Geist transportieren. Denn nur ein Wandel im Geist hält langfristig.
Das schönste was wir sehen konnten war neben der Anlage von Rivo. Ein paar Kinder haben mit ihren kleinen Schaufeln kleine Terrassen und Swales angelegt. Sie haben “Permakultur” gespielt. Sie wachsen nun also wie selbstverständlich mit den neuen Techniken auf. Das wirkt. Sie werden auch nicht mehr brennen. Der Teufelskreis kann also durchbrochen werden.
Ambohiborosy – TENAQUIP School
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Seit nun etwa einem Jahr beraten wir eine Schule direkt neben der Hauptstadt Antananarivo. Es ist eine Schule gegründet und finanziert von einer kanadischen Hilfsorganisation. Sie sind inspiriert von Rudolf Steiner, und so haben wir uns gleich gut verstanden. Sie haben einen grossen Schulgarten, der nun zu einer Permakulturanlage umgebaut wird. Sie sind schon super beim Pflanzen und sehr gut in Sachen Kompost. Dieses Engament wird aber immer wieder von der Erosion zunichte gemacht. Die riesige Ressource Wasser, welche durch ihr Gelände fliesst, ist leider eine Quelle der Zerstörung. Dies zu ändern ist unsere erste Aufgabe. Ein riesen Swale mit einem Fassungsvermögen von mehreren hundertausend Liter Wasser ist unser erster Schritt. Er kann bei nur einem Starkregen gefüllt werden. Darunter liegt der Garten, welcher von nun an mit dem Wasser gedüngt anstatt davon zerstört zu werden. Wasser ist der wichtigste Dünger – was vielen entgeht.
Sodann bauen wir Terrassen unter dem Swale, welche für die Produktion von Gemüse und Feldfrüchten eingesetzt werden kann.
Der Gärtner versteht schon sehr gut worum es geht, und so schaufelt er fleissig zusammen mit Trupps aus der Elternschafft die neue Anlage. Der Swale ist bereits fertig gestellt und auch im grossen und ganzen Korrekt. Nur die Überlaufsysteme sind noch nicht wirklich vorhanden. Das zu lernen ist auch recht abstrakt, wenn man es nicht öfters bei Regen gesehen hat. Auch hier ist gerade das Ende der Trockenzeit.
Wir beraumen eine gemeinsame Aktion mit allen Eltern an, welche vorraussichtlich im Januar stattfinden wird. Diese sollte helfen, den ersten Grossen Teil der Anlage fertig zu stellen.
Bald also wieder neues!
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Andoarena – Finanarantsoa
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Unser trockener Hügel.
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Menalamba ist am Rande der Zivilisation, oder besser gesagt am Anfang. Genau an der Brandschneise zum Urwald, wo die Landnahme beginnt. Andoarena ist an dessen Ende. Hier stellen wir uns der totalen Zerstörung. Einem Stück Land, welches schon länger nichtmehr bewirtschaftet wird. Es ist total erodiert; hart, trocken, unfruchtbar. Diesem Stück Land versuchen wir neues Leben einzuhauchen. Es ist eine grosse Herausforderung und harte Arbeit.
Angefangen haben wir im Dezember 2015. Bei unserem jetzigen Besuch ist die Anlage fast fertig gestellt. Nun benötigt es einen Feinschliff und viele Bäume. Wir beschliessen 500 Bäume zu Pflanzen. 600 werden dann geliefert. Es wird eine krasse Arbeit sein, die Erde ist hart und wir brauchen 80 Zentimeter tiefe Löcher. Wir haben nicht genug gutes Werkzeug und so werden wir viele Leute benötigen. Ausserdem braucht es jede Menge Mulch, Bambus und kleine Sträucher. Jedes Loch bekommt Krautmaterial und Stroh unten in das Loch, bevor es mit Erde/Kompost gemisch gefüllt wird. In diesem Kraut bildet sich ein Hohlraum, in welchem sich Wasser sammeln kann. Dass Wasser wird durch Bambusröhren hineingegossen. Somit können die Bäume auf 80 Zentimeter tiefe gegossen werden. Eine Technik, um die Wurzeln zu tiefem Wachsum zu bewegen und die Verdunstung zu verhindern. Giesst man die Bäume an der Oberfläche, so wachsen die Wurzeln in gerade jener Erdschicht, welche als erstes austrocknet. Das Überleben die Bäume nicht. Die Wurzeln müssen so schnell wie möglich nach unten wachsen, wo sie alsbald auch die Bodenfeuchte und das Grundwasser finden.
Die ganze Anlage ersteckt sich über rund einen Hektar Land. Sie besteht aus drei grossen Swales und sechs grossen Terrassen. Wie immer werden die Hänge zwischen den Terrassen und den Swales mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt, während die Terrassen mit einjährigen Kulturen bewirtschaftet werden. Diese erosionsfreie Anbautechnik verbindet die Vorteile des Waldes mit den Bedürnissen des Feldbaus. Die Anlage wird sodann mit Wassersammelgräben an die umliegen Gelände angeschlossen, um das dort anfallende Abflusswasser zu nutzen.
Nun, der Plan steht, aber uns bleiben nur zwei Tage. So rechnen wir aus, wir bräuchten 60 Arbeiter. Jeder mit eigener Schaufel und Sichel. Wir gehen also rum und reden mit den Leuten: “Alle Leute arbeiten im Strassenbau, es gibt nicht genug Arbeiter!”.
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“Mhh…”, denke ich, “irgendwie muss man diese doch locken können.” So frage ich einen interessierten, wieviel Reis er denn gerne hätte zum Mittag. “Ray sy tapany kapoaka”, eineinhalb Milchbüchsen, die lokale Masseinheit. “Tsy manin!” sage ich, „Kein Problem!“. Seine Augen leuchten und die Diskussion wendet sich. Zusammen mit einer guten Portion Bohnen und einen sehr guten Tageslohn beginnt sich die Sache herumzusprechen. Ob er nich noch Freunde mitbringen kann, frägt einer. “Klar!”, erwiedern wir, “Wieviele?”. “Einhundert”. “Vierzig, nicht mehr!”, sage ich, und hoffe auf den nächsten Tag. Es kommen neunzig!
So haben wir also in Zwei Tagen mit neunzig und einem weiteren tag mit rund 40 Personen die Anlage komplett bepflanzt, gemulcht, gedüngt und die Bäume alle bis in die Tiefe Bewässert. Das waren rund 1500 Baumbusstöcke, 300 m³ Mulchstroh, hunderte Säcke von Mist, welche von einem Kilometer weiter geholt werden mussten, und rund 1500 Eimer Wasser. Dazum kamen die Erdarbeiten von 500 Pflanzlöchern und Steinharte Erde und die Fertigstellung von drei Sammelgräben und die Unterteilung von drei grossen Terrassen. Alle Sechs Terrassen und alle Hänge wurden noch besät, gedüngt und die ganze Anlage gemulcht.
Wir alle waren freudig und total erschöpft am Ende. Nun hoffen wir auf Regen.
Zuletzt noch ein Danke an unsere fleissigen zwei Studenten. Unsere grösste Aufgabe für dieses Jahr ist es, diese zwei Jungs auszubilden, dass sie selbständig Permakulturfarmen bauen können.
Frohe Weihnachten an alle,
Lukas