Die Schule Tenaquip – Viele Hände, schnelles Ende!
In nur einer Woche haben wir eine Anlage von über einem Hektar fertiggestellt. Jeden Tag arbeiten mehr als einhundert Menschen zusammen und erreichen in fünf Tagen, wofür ein einzelner Mensch drei Jahren benötigt.
Vor über einem Jahr habe ich Kathy Luckings zum ersten mal getroffen – eine engagierte Kanadierin, welche mit ihrer Organisation “Madagascar School Project” eine Schule mit heute rund 850 Kindern aufgebaut hat. Sie hat einen antroposophischen Hintergrund, möchte die Waldorfpädagogik nach Madagaskar bringen. Sie fand es auf Anhieb sympathisch, ehemalige Waldorfschüler zu treffen, welche Permakultur machen. Sie haben in ihrer Schule einen grosses Garten angelegt, um ihre Kantine zu versorgen. Das bringt uns ins Gespräch.
Unsere Kooperation ist schnell beschlossen, und so fangen wir gleich im Frühjahr 2016 mit dem Bau erster Swales und Terrassen an. Aus der Elternschaft gibt es Helfer, und so erreichen Sie bis Ende 2016 schon einiges an Erdarbeiten. Wie auch in anderen Regionen machen Sie es nicht auf gleich richtig, sodass wir nun die Arbeiten Korrigieren, und grossflächig erweitern.
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Die ganze Operation erinnert an die Organisation einer Römischen Armee. Wir kommen an mit jeder Menge Werkzeug, und als wir die Spaten richten, klirrt das Metall. Es werden jeden Tag über einhundert Eltern zum Helfen kommen. Diese Teilen wir in Einheiten von bis zu 20 Personen ein, Jeder von uns wird eine Einheit leiten. Ich selbst spiele Zenturio und nehme die Leitung aller Abteilungsleiter. Dann besprechen wir uns, Felix übernimmt das Wassersystem, Loic und Luisa werden pflanzen, die Vier Studenten werden Terrassen bauen. Am Abend essen wir Spaggetti und gehen früh schlafen.
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Montag Morgen 07:00. 45 Baramin (Stahlstangen mit Spaten), 40 Spaten, 25 Schaufeln, 2 Rechen und 8 motivierte junge Permakulturisten stehen bereit. Langsam kommen die ersten Eltern, die ersten Gruppen formen sich. Es werden immer mehr. Bis um Neun Uhr sind dann rund Einhundert Menschen am arbeiten. Viele kommen nicht. Noch stimmt die Disziplin nicht, in unserer kleinen Weltretter-Armee.
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Zum Mittag essen wir in der Schulkantine, ein einzigartiger Anblick. Dann Pause und arbeiten bis um halb fünf. Schon ab drei Uhr nachmittags meutern die ersten Arbeiter, es ist an mir als „Centurio“ die Menschen zu disziplinieren. Keine angenehme Arbeit. Aber nun heisst es hart sein, die Gruppe darf auf keinen Fall mit uns spielen.
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Ganz anders Jean Noel, Rivo, Cle und Nono. Sie sind hoch motiviert, hauen so richtig rein und treiben ihre Leute durch ein sehr gutes Vorbild an. Am Abend schauen wir auf ein sehr gutes Ergebnis, hunderte Kubikmeter Erde welche bewegt wurden machen über einhundert Meter Terrasse sichtbar. Felix konnte den ersten grossen Swale fertig stellen und hat bereits Begonnen, den ersten Zulauf in die Strasse zu schnitzen. Wenn es nun regnet, ernten wir bereits Wasser. Und es regnet tatsächlich in der Nacht.
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Nach erholsamem Schlaf, wir haben wirklich eine gute Unterkunft, ist es am nächsten Morgen schön frisch und die Erde feucht und leicht zu bearbeiten. Wieder kommen viele Leute zu spät, einige kommen garnicht, gerne faulenzt der eine oder andere. Wir notieren die zu spät gekommenen. Die Studenten ächzen und lernen zum ersten mal was es heisst, Anführer zu spielen. Keine leichte Aufgabe für sie. Die Sonne brennt unerbittlich während die Spaten an den Eisenstangen immer schwerer werden. Erde auflockern, Erde bewegen, Terrassen ins Niveau bringen. Gute Erde separieren und für später lagern. Auch ich bin nicht auf der Höhe, seit zwei Wochen keinen freien Tag und eine Infektion am Bein macht mir seit Wochen zu schaffen. Wir kommen wieder ein gutes Stück vorran, aber alle haben zu kämpfen. Um halb drei trennt sicht eine Gruppe von der Arbeit und möchte selbstständig nach Hause. Ich hole sie zurück, renne Ihnen geradezu hinterher. Es sind Erwachsene, verhalten sich aber wie pubertierende. Ich hatte dies schon zuvor erlebt. Besonders wenn Weisse dabei sind versuchen sie herauszufinden, wie weit sie gehen können. Ich diszipliniere sie, erkläre der gesamten Gruppe, dass die Arbeitszeit um eine Stunde verlängert wird, und schicke sie wieder zur Arbeit. Kollektivstrafe. Mir bleibt keine andere Wahl. Um halb Sechs dann haben wir es geschafft.
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Die Gruppe drängelt sich um die Schreiberlinge, welche die Namen aufnehmen und die Hefte austeilen, in welchem Alles über jeden einzelnen Schüler vermerkt ist. So auch Arbeitseinsätze der Eltern. In all diesem Durcheinander ist es eine Herausforderung unser Werkzeug zusammen zu bekommen, zu zählen und zu verräumen. Dann verdamme ich die zu spät gekommenen zu einer weiteren Stunde Arbeit. Protest, aber ich bleibe hart. Mir bleibt keine andere Wahl, will ich nicht, dass die Leute auf unseren Nasen herum tanzen.
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Wir haben viel erreicht, die ersten Abschnitte sind fertig, die ersten Beete angelegt. Morgen können wir einen guten Teil der Gruppe in den hinteren Bereich der Anlage verlegen, wo noch viel Erde zu bewegen ist. Es ist eine unglaubliche logistische Aufgabe. Hunderte Kubimeter Erde zu bewegen, Terrassen auf Niveau bringen, Beete anlegen. Stroh, Kompost und Reissspelzen werden angeliefert. Das Wassersystem muss stimmen, alle Wege müssen angelegt werden. All das möchte koordiniert sein.
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Morgen müssen die ersten Beete fertig werden, sonst schaffen wir es nicht. Freitag um 15:00 müssen wir fertig sein. Heute wurden die ersten Bäume gepflanzt, ich bin dabei Pflanzgut für Maniok, Süsskartoffeln und Zitronengras zu organisieren. Pflanzen und Saatgut für alles andere haben wir aus der Hauptstadt mitgebracht. Mehrmals musste ich heute die Baustelle verlassen um mich hinzulegen. Insgesamt ist der Tag seehr anstrengend gewesen. Ich muss mich noch mit Kathy treffen, Dinge organisieren und besprechen. Die anderen haben Zeit, sich etwas auszuruhen und Gitarre zu spielen. Gleich nach dem Essen fallen wir totmüde ins Bett, unsere abendliche Studienrunde lassen wir ausfallen.
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Der dritte Tag beginnt mit sehr guter Laune von mir, was die anderen anzustecken scheint. Schon vor sieben Uhr sind alle Werkzeuge bereit, ich habe unser Zimmer aufgeräumt und gefegt und sogar meine Wäsche gewaschen. Ich war sehr früh auf.
Die Eltern kommen mehrheitlich pünktlich und sind heute sehr motiviert. Jean Noel beginnt grossflächitg, die Wegesysteme und Beete anzulegen, wir teilen 20 Leute zum Kompost tragen ein, die Beete werden gedüngt, der Mist untergearbeitet und die Beete zum sähen fertig gemacht. Nono konnte bereits gestern seinen Abschnitt beenden und hilft nun mit seiner gewohnten Geschwindigkeit Rivo, den hinteren Teil der Anlage zu gestalten. Wunderbar sieht es aus, wie er mit 20 Mann die Spaten, Metallstangen und Schaufeln schwingt. Er ist ein Naturtalent. Nie zuvor hat er Erde bearbeitet, er kommt aus dem Hotel-Geschäft.
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Auch Rivo wird richtig gut. Seinen jugendhaften Leichtsinn hat er eingetauscht gegen die ernsthafte Mine eines Mannes. Er Koordiniert drei Terrassen aufs mal, mehr als 40 Mann. Hie und da helfe ich ihm, korrigiere ein bisschen und beantworte seine Fragen. Man glaubt es kaum. Er kommt von Zeit mich zur rufen, um mir Fragen zu stellen und die Techniken zu besprechen. Der Junge Mann macht sich. Er stellt Fragen.
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Als wir vor drei Jahren angefangen haben zusammen zu arbeiten, da war Rivo ein verlorener Junge. Er hatte immer wieder charakterliche Schwierigkeiten, dachte nicht recht mit bei der Arbeit. Er war mehr mit dem Gedanken an andere Dinge beschäftigt. Viele Leute sagten mir, ich solle mit den Älteren zusammen arbeiten. Ich aber bestand darauf, mit einem sehr jungen Team zu starten. Rivo ist der einzige Abkömmling. Es waren auch einige ältere dabei, aber diese haben alle betrogen oder wollten nicht recht arbeiten. Es war viel Arbeit mit Rivo, aber der grosse Vorteil, er war und ist noch Jung und seine Persönlichkeit noch in der Entwicklung. Sehr oft machen wir, was ich Charakterschule nenne. Wenn es Schwierigkeiten gibt, besprechen wir es. Wir reden auch über Vertrauen, Ehrlichkeit und Betrüger. Davon gibt es hier wahrlich genug.
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Die Arbeit beginnt Früchte zu tragen. Rivo lernt was es bedeutet aufrichtig und ernsthaft zu sein. Abends spassen wir, auch zwischendurch. Aber wir wissen, wann es ernst ist. Wir vertrauen uns. Das ist selten in Madagaskar.
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Fast die Hälfte aller Beete werden heute fertig, auch die Hänge zu grossen Teilen angelegt. Wege durchziehen die Anlage, es ist möglich alle Anpflanzungen bequem zu erreichen, ohne auf Beete treten zu müssen. Für die Madegassen eine Neuheit. Felix kommt sehr gut mit dem Wassersystem vorran. Ein deutscher Ingenieur eben. Loic und Luisa pflanzen fast die Hälfte aller Bäume, die ersten Hänge werden mit Süsskartoffeln (Bodendecker und Hangsicherung), Ananas und anderen Herrlichkeiten bepflanzt und dann gleich gemulcht. Tausende Bündel Heu werden angeliefert, fast dreissig Ochsenkarren mit Mist und sechs Lastwagen Reisspelze. All dieses organische Material wird das Bodenleben aktivieren. Ich selbst renne den ganzen Tag im Kreis durch die Anlage, helfe hier, nehme dort eine Schaufel in die Hand, korrigiere hier, berate dort.
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Nicht ein einziges mal müssen wir heute Disziplinieren, einige kommen zu spät, werden aber ohne zu murren ihre extra Stunde machen. Es muss sich herum gesprochen haben, das Eis ist gebrochen, die Anständigen haben die Oberhand gewonnen. Die Stimmung ist fantastisch und bleibt so bis kurz vor Schluss der Arbeiten am Freitag. Mit unglaublicher Geschwindigkeit, gleich einer Horde Ameisen, wühlen, schaufeln, tragen und pflanzen über 120 Menschen. Es ist ein sehr motivierender Anblick.
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Während wir Arbeiten haben die Lehrer eine pädagogische Woche. Zwei Französinnen sind angereist um den Lehrern die Waldorfpädagogik etwas näher zu bringen. Wir verstehen uns seit dem ersten Tag, Normalerweise machen sie Einsätze in Katastropengebieten wie Lybien nach dem Krieg oder Haiti nach dem Erdbeben. Dort machen sie Kunstprojekte mit traumatisierten Kindern. Die Arbeit hier ist eher die Ausnahme für sie. Ich schätze den Austausch sehr. Wir können auch unsere Arbeit der gesamten Lehrerschaft vorstellen. Stolz erzählen unsere Jungs von den verschiedenen Regionen in Madagaskar, wo wir schon Permakultur gemacht haben. Ich versuche den Lehrern etwas Inspiration mitzugeben. Wir lachen viel und konnten die pädagogische Woche etwas bereichern. Dann gehen wir gleich wieder zur Arbeit.
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Am Abend ist auch Clement fertig mit seinem Terrassenabschnitt. Die Terrasse ist sehr gut geworden. Morgen werden wir den hinteren Teil fertig machen, da wir die meiste Abeitskraft dort konzentrieren können. Wir entlassen die Leute pünktlich um halb fünf mit einem grossen Lob. Fast hätten wir die Zeit vergessen…
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Der Donnerstag beginnt wieder mit grosser Motivation. Nur Felix ist etwas angeschlagen, und doch steht er steht seinen Mann. Er wird heute mit dem Wassersystem fertig, wie geplant. Zwanzig Leute schleppen Mist und Reisspelz, welches auf den Beeten von weiteren 20 Männern vermischt wird. Die Mischung macht ein gutes CN-Verhältnis (Kohlenstoff/Stickstoff). Sobald die ersten Beete fertig sind, beginnen wir von vorne her die Beete Zu besähen. Hunderte Beete. Auch Luisa und Loic kommen Prima vorran mit dem Pflanzen, heute kommt der Maniok dazu. Grosse Teile der Hänge sind bereits gemulcht, und die Beete, sobald sie besät sind, bekommen ebenfalls eine schützende Strohdecke. Immernoch kommt Karren nach Karren mit Sroh, Mist und Reisspelz. Wir kaufen es von aussen zu. Trotz meiner Infektion am Bein habe ich jede Menge Energie. Das hilft enorm, bei sovielen verschiedenen Gruppen heute. Saat Kontrollieren, Pflanztiefe der Bäume, Menge des Mists, Ladungen kontrollieren… auch brauchen mich die Jungs häufiger, denn nun haben wir die meiste Arbeitskraft auf den hinteren Teil der Anlage konzentriert. Rund sechzig Mann Arbeiten zusammen mit Rivo und Nono. Eine echte Herausforderung. Ein Glück ist die Motivation und die Disziplin ungebrochen hoch.
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Die Terrassen werden fertig bis zum Abend, rund die hälfte der Anlage ist komplett fertig gestellt. Beete, Mist, Spelz, Saat, Pflanzung, Mulch, Wasser- und Wegesysteme. Wir haben eine gute Chance morgen fertig zu werden. Doch zuerst einmal gönnen wir uns ein Bad im nahegelegenen Bach.
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Hochmotiviert gehen wir in unsere abendliche Studienrunde, ich habe Fossilien mitgebracht, wir sprechen über die Herkunft des Lebens, über Geschichte und Kultur. Dann klären wir alles für den letzten Tag, ich zahle die Jungs aus, mache alle Abrechnungen, wir packen schon was möglich ist. Morgen um 16:00 ist Abfahrt, wir vereinbaren uns um 15:00 von der Arbeit zurück zu ziehen, alles fertig zu packen und zu duschen. Dann essen wir, trinken noch einen Rum mit den Französinnen, lauschen Nono und Felix beim Gitarre spielen und gehen dann wieder frühzeitig ins Bett.
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Schon früh am Morgen kommen die ersten Bündel mit Zitronengras. Sogleich beginnen wir, die Terrassenränder und alle Wegränder mit diesen zu bepflanzen. Das Zitronengras dient als Erosionsschutz und wird einen steten Fluss von Mulch generieren. Tee gibt es auch, aber soviel werden wir wohl niemals trinken. Rivo, Nono und Jean Noel machen sich an den hinteren Teil. Schnell sind die letzten Niveauarbeiten augeführt, die Wege angelegt, die Beete gerichtet und mit Biomasse vermischt. Schon um 10:00 können wir mit dem Sähen beginnen. Nun arbeiten sich die Saatgruppen von beiden Seiten durch die Anlage. Alle freien Arbeiter setzen wir ein, um noch weitere Terrassen zu graben. Die Frauen holen Stroh, sähen, mulchen, pflanzen. Tausende Maniokstöcke werden in die Erde gesteckt, tausende Süsskartoffel-Triebe gesetzt. Unser Ameisenhaufen ist fleissig am werkeln.
Felix, heute wieder voll dabei, bearbeitet den Zulauf zu der Anlage und vergössert damit unsere Wasserkapazität. Luisa und Luic richten die letzten Wege an den Hängen, pflanzen die letzten Bäume und koordinieren das Mulch. Ich wieder zwischendrin und überall.
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Ab und zu machen wir Filmsequenzen, wir werden einen Film für YouTube erstellen. Ausserdem beschäftigen mich Besucher. Wir seit drei Tagen eine Gruppe von Aqua Alimenta mit uns, eine andere Organisation, welche über Permakultur lernen wollen. Jeden tag bekommen sie eine Stunde Unterricht, den Rest des Tages helfen sie bei der Arbeit.
Auch kommt die Frau des Bischofs der anglikanischen Kirche. Sie vertreten zehntausende Mitglieder aus ganz Madagaskar. Sie wollen Permakultur in ihre Programme aufnehmen. So nehme ich mir auch für sie die Zeit, alles zu erklären. Sie ist fasziniert und so kann es gut sein, dass es bald zu einer Kooperation kommt. Die Sache spricht sich herum.
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Zum Mittagessen ist die Anlage grösstenteils fertig gestellt. Alle Arbeiten sind verteilt, keine offenen Posten mehr. Nach der Pause prüfe ich nochmals alles und nehme mir dann ganz in Ruhe die Zeit, einige letzte Bilder zu machen, mit Kathy und den zwei netten Französinnen zu reden, und einfach unser Werk zu geniessen. Ab und zu sähe ich das eine und andere Beet, bespreche Saatkombinationen, prüfe Niveaus, Mulchauflagen und mache den einen und anderen Finish selbst.
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14:20. Ich rufe die Jungs zusammen. 14:40, wir haben alle unsere Werkzeuge abgeräumt und gehen packen, putzen und Duschen, 14:50, die Disziplin verliert sich im Chaos. Fast alle sitzen herum, als die Anführer sich lautlos verabschiedet haben. Alle wichtigen Arbeiten sind erledigt, es gilt noch, das letze Mulch und das Reisspelz zu verteilen. Ich rufe den Leuten zu, dass sie erst gehen können, wenn die Arbeit erledigt ist. Und… dass sie gehen können, sobald es fertig ist. Hätten sie es begriffen, sie wären nach 20 Minuten fertig gewesen. Aber das haben sie nicht.
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15:25. Sie sitzen immernoch. Wir sind mittlerweile geduscht, gepackt, machen letzte Erledigungen. Ich gehe zu den Eltern, erkläre Ihnen in strengem Ton nochmals ihre Aufgabe. “Misy fotoana aho – ich habe Zeit”. Das stimmt zwar ganz und garnicht, aber ich spiele den coolen. “Tsy manin ela tsy vita – mir macht es nichts, wenn ihr lange braucht!”. Auch das stimmt nicht. 15:35. Eine Diskussion beginnt unter den Leuten, irgendwie realisieren sie die Situation so langsam und trollen sich an die Arbeit. 15:55. Wir sind fertig. Mit einem lächeln vergesse ich diese letzte kleine Meuterei. Lustig, die Soziologie einer mittelalterlichen, quasi aristokratischen Gesellschaft zu studieren. Keine Selbstverantwortung. Offensichtliche Lämmer in der Herde. Sie haben noch sovieles zu lernen.
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5470 Stück Zitronengras, 380 Ananas, über 5000 Maniokpflanzen, über 10 000 Süsskartoffeltriebe, 380 Baumsetzlinge, 17 Kilo Setzkartoffeln, 1305 Ballen Stroh geliefert, plus einige Hundert von unseren Mitarbeitern. 37 Ochsenkarren mit Mist, 7 Lastwagen mit Reisspelz. Jede Menge Saatgut von Reis, Mais, Bohnen, Hirse, Erdbohnen, Erdnüssen, Krautstiel (Mangold) und vielerlei mehr. Über Siebenhundert Arbeitstage gesamt, rund 250 Kilo Reis für die Mittagessen, sechs Flaschen Bier, eine Flasche Rum und — nicht einer unserer Spaten ist kaputt gegangen.
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Kathy sprach von einem Wunder, soetwas habe sie noch nie gesehen. Wir auch nicht. Inmitten einer Region der absoluten Armut, der Erosion und der Mangelernährung haben wir eine hochproduktive Anlage zur Erzeugung von Lebensmitteln erstellt, mit nicht viel mehr als ein paar Schaufeln und dem Glaube, das nichts unmöglich ist. Diese Anlage kann als Beispiel dienen, wie die ganze Region wieder aufblühen kann.
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Während der Woche habe ich eine kleine Gruppe an Leuten bezahlt um Samen in die Erde zu stecken. Mehrere hunderttausend Baumsamen sind nun in den Umliegenden Hügeln, bereit zu keimen, wenn der nächste Regen kommt.
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Mit viel Getöse, fast schon pathetisch, halte ich eine letzte Ansprache, bedanke mich ganz besonders und aus ganzem Herzen bei dem Team und entlasse die Eltern in ihren Wohlverdienten Feierabend. 16:05. Emotionale Verabschiedung, wir gehen nun getrennte Wege. 16:12. Zwei Jeeps verlassen die Schule, vollgepackt mit Fahrrädern, Gepäck und unserem Werkzeug. Auf dem Weg in die Hauptstadt zieht der Himmel zu. Über die Nacht wird Zanahary unsere Anlage angiessen.
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Unsere Eindrücke als Freiwillige – Von Loic und Luisa
“Für uns war die Zeit, in der wir Teil des Projektes waren sehr eindrucksvoll und bereichernd. Einerseits lernten wir eine für uns anfangs fremde Kultur kennen, da wir mit den Madagassen arbeiteten und mit ihnen lebten. Meist verbrachten wir 24 Stunden am Tag mit ihnen, in denen wir mit ihnen arbeiteten, aßen, Spaziergänge durch den Regenwald unternahmen und unter einem Dach auf Strohsäcken schliefen.
Andererseits wurde uns viel klarer wie wichtig die Arbeit mit den Bauern ist um die letzten Regenwälder Madagaskars zu schützen, denn wir sahen z.B. mit unseren eigenen Augen wie Regenwälder abgebrannt wurden und hier nichts dagegen unternommen wird.
Es ist gut zu wissen, dass die Bauern durch das Projekt genug Nahrung haben, und der Regenwald nachwachsen kann. Nicht zuletzt, weil dadurch dem globalen Klimawandel entgegen gewirkt wird.
Auch die Arbeit an den Schulgärten hat uns gefallen, vor allem, dass wir mit den Eltern der Kinder den Garten zusammen angelegt haben. Es war beeindruckend wie viele Menschen zusammen kamen um mit uns unter viel Anstrengung den Garten fertig zu machen. Jetzt werden die Kinder an dieser Schule jeden Mittag satt und sehen schon von klein auf wie Permakultur funktioniert.
Die Arbeit war für uns teilweise sehr anstrengend, aber sie hat sich auf jeden fall gelohnt. Einerseits, da wir sehr viele Erfahrungen gemacht haben und sich dadurch unsere Lebenseinstellung geändert hat. Andererseits sind wir davon überzeugt, dass sie wichtig ist für eine bessere Zukunft ist. “
Reise in den Süden
Und nochmals zieht es mich in den Süden. Wir werden nochmals die Anlage in Andoarena besuchen, dort sehen wir einerseits, dass einige unserer Bäumchen angeknabbert werden, andererseits aber finden wir die Swales voller Wasser und die Terrassen gut bewachsen mit Reis, Bohnen und Erdnüssen.
Vor einem Jahr fragten wir die Bauern “können wir hier Reis anbauen?” – “Nein!” war die klare Antwort! “Mais oder Kartoffeln?” – “tsisy – Nein!”
Nun wachsen Mais, Reis, Hafer, Bohnen, Ananas, hunderte Fruchtbäume und sogar ein paar Melonensamen hatte ich in die Erde gesteckt – welche nun freudig wachsen.
Dann fahre ich nach Tuléar, einen alten Freund besuchen, welcher viele Jahre im Dienste der Entwicklung gewirkt hat. Ein kritischer Kopf, der in vielen Dingen abgeklärt ist. Irgendwie findet er aber doch noch freude am meinem jugenhaften, fast schon naiven Optimismus.
Ich bekomme Tipps und Saatgut. Prosopis, eine Baumart für Trockengebiete. Durch einen Kontakt in der Schweiz bekomme ich eine Anfrage für Kooperation im südlichen Trockengebiet, leider finde ich weder Kraft noch Zeit, an diesen sehr abgelegenen Ort zu gehen.
Doch bringt mich der Aufenthalt im im trockenen Süden auf erste Ideen. Prosopis Hecken gemischt mit anderen Arten, welche die langen Dürreperioden aushalten. Ziegenzucht in diesen Einfriedungen, und Gärten und Felder, welche in der Regenzeit den Ziegenmist nutzen können. Wir werden sehen, was sich umsetzen lässt. Ziegen, Gärten, Felder und ganz wichtig, Brennholz und Kohleproduktion.
Die Trockenwälder des Südens leiden unter überweidung und intensiver Abholzung für Holzkohle und Brennholz. Verbieten lässt sich das nicht. Aber vielleicht ersetzen.
Dann fahre ich nach Ambositra, eine etwas trostlose Stadt, und doch erfreut mich der Besuch. Ein sehr angenehmer älterer Herr, Professor für Ozeanographie und Botanik, hat mich eingeladen. Er ist teil der leitung des Institut Superieure de Technologie (IST) in Ambositra.
Eine Gruppe echter Idealisten haben diese grosse Landwirtschafts-Universität in den letzten Zehn Jahren aus dem Nichts aufgebaut. Gebildete Madegassen, welche aus dem Ausland zurück gekommen sind, um etwas in ihrem Land zu bewegen. Am liebsten hätten sie mich als Lehrer, aber das geht nicht. Gerne aber biete ich ihnen an, Permakultur in Form von Kursen und praktischen Projekten in ihre Uni einzubringen. Erst mit dem Vorstand, dann mit allen Sektionskoordinatoren, besprechen wir mögliche Kooperationen. Die Möglichkeiten sind gross, es sind im Schnitt 1000 Studenten. Ausserdem haben sie ein Netzwerk, welches Zehntausende, wenn nicht hunderttausende Bauern erreichen kann.
Ich lasse ihnen jede menge Samen da, mit welchen sie beginnen können, ein lebendes Inventar zu auszubauen. Sie werden auch ihre Studenten aufmuntern, Baumarten und Saatgut für unsere Freisaatversuche auszumachen. Desweiteren beschliessen wir, eine grosse Farm zusammen aufzubauen. Dafür werden wir nun die Mittel in Europa suchen. In gemeinsamer Vorfreude trennen wir uns, inspiriert, bereit, grosses zu bewegen. Mal sehen, ob es klappt. Oft denke ich an Zanahary.
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Dann erlebe ich noch einen ganz besonderen Moment. Mein Freund nimmt mich mit in seinen Geburtsort. Draussen im Busch, eine Region, in welcher seit Jahrhunderten die Betsileos arbeiten. Mehr als einhundert Reisterrassen übereinander, UNESCO Weltkulturerbe. Hier leben fleissige Menschen. Er zeigt mir eine Maniokstaude. Sie ist über zwei Meter hoch und extrem Dicht – “Drei Monate ist sie alt” sagt er. Normalerweise ist sie nach über einem Jahr noch nicht so dicht.
Er hat bereits über 30 Kilo pro Qudratmeter und Jahr geerntet. Das übersteigt alles, was ich bisher kennen gelernt habe. Es wäre ein Hektarertrag von 300 Tonnen. Absoluter Weltrekord. Ich glaube es nicht ganz. Wir werden sehen.
Der Trick ist eigentlich einfach. Er schneidet die Stecklinge an den Wurzel-Knospen ein, und zwar unter und über der Knopse. Dadurch tötet der die Knospe. Der Steckling schüttet Hormone aus, welche das Wachstum hunderter neuer Wurzel-Knospen auslöst – stellt man sie in ein gemisch aus Wasser und Kuhmist. Danach bilden sich hunderte Wurzeln und am oberen Teil bis zu 50 Äste. Jede Wurzel kann eine Maniokknolle werden, findet sie guten, tiefgründig fruchtbaren Boden.
Er hat eine solche Pflanze in einen Kubik Kompost gepflanzt – und 125 Kilo geerntet, auf vier Quadratmetern. Und das nach 12 Monaten anstatt den Normalen 24. Unglaublich. Aber ich fange an es zu begreifen und zu glauben…
Das würde alles bekannte schlagen, für die Produktion solarer Rohstoffe. Maniok, das ist Stärke, welche zu Plastik, Essen, Öl, Ethanol und vielen anderen Stoffen umgewandelt werden kann. Es ist sogar Produktiver als Ölpalmen und Zuckerrohr.
Wir werden sehen.
Zurück in Tana
Wir gehen zu einem Kontakt, welchen ich unterwegs bekommen habe. Er ist einer der höchsten Beamten im Staat. Im Palast des Premierministers. Ohne grosses Blabla eröffne ich ihm unser Problem; Die Korruption um die Abholzung von Menalamba. Bürgermeister, Chef de District, jede menge reicher Leute, der alte Bezirkschef, die Polizei, die Gendamerie, das Ministerium… Alle sind dabei. Ich bitte Ihn um Hilfe, und stelle uns vor. Wir, das Team tany, und zwei Leute von Asity, der Naturschutzorganisation.
Er lacht mich freundlich an, ja, er lacht mich fast aus. Etwa hämisch, oder sarkastisch, antwortet er. Ich kann es nicht ganz einordnen, die Madegassen sind als nicht ganz durchschaubar. Auf jeden Fall ist er ehrlich, und man merkt seinen Frust. Er ist Jurist, Proffessor für Recht. Er kennt sein Metier:
“Madagaskar hat keinen Staat. Ich könnte nun ein Papier aufsetzen, der Premierminister würde es heuchlerisch unterschreiben. Es würde nach Moramanga gesendet – und dort im Mülleimer landen. Spätestens aber, sobald es bei der Polizei als direktive eingeht. Keiner Tut was. Das ganze Staatsprogramm ist heuchlerei. Machnmal wird ein Exempel statuiert, für die Presse, für den Westen. Dann aber passiert nichts weiter. Da steht gross in der Zeitung, dass wieder soundsoviel Rosenholz konfisziert wurde. Alles nur show.”
Er wird etwas ernsthafter, aber ich bekomme den Eindruck, er hält mich für naiv: “Vazaha, Lukas, c’est tous un theatre – es ist alles nur ein Theater, weisser Mann.”
Er hält sich nicht, spricht aus, was er normalerweise für sich halten muss. Wir vertrauen auf unseren gemeinsamen Kontaktmann, beide wissen wir, wir können offen sprechen: “Wir haben keinen Staat. Jeder im Staat bereichert sich selbst, der Rest ist Theater. Madagaskar hat keinen Staat. Wir haben zwar Gesetze, aber keiner setzt sie um.”
Das ist also die Realität. Und der Westen stützt diese Kleptokratie, im Austausch für Rohstoffe und billige Arbeitskräfte in den Fabriken.
Er zeigt mir ein Papier welches er aufgesetzt hat. Eine Studie über die Korruption im Land. Er behält es für sich. Er hat Angst um seinen Posten. Hält den Kopf unten und hält den Mund.
Dann frage ich ihn eindringlich, ob es denn garnichts geben würde, was wir tun können. Zumindest einen Richter, welcher sich des Falles annehmen würde. Zumindest ein paar gute Leute, irgendwo im Staat, welche Lust hätten, was für ihr Land zu tun. Die gäbe es, hie und da, aber ihnen wären ebenso die Hände gebunden.
Es ist eine Katastrophe. Wir sind wirklich auf uns selbst gestellt. Es ist keine Anarchie, denn An-Archie heisst KEINE Herrschaft. Anarchie ist Selbstorganisation der Bürger. Hier aber haben wir eine willkürliche Kleptokratie – die Herrschaft der Räuber. Und darin gilt das Recht des Stärkeren.
Etwas ernüchtert, ein bisschen mehr abgeklärt, verlassen wir das Haus. Und Gleichzeitig gestärkt, im Wissen, wie wichtig unsere Arbeit ist. Gestärkt auch darin, dass wir es selbst tun müssen. Wir müssen stark werden, und dann für Recht und Ordnung sorgen.
Majunga – der Norden Madagaskars.
Von Antananarivo bis nach Mahajanga im Norden des Landes fährt man sechshundert Kilometer weit durch eine Landschaft ohne Wälder. Nur eine Strecke von etwa 15 Kilometern ist gesäumt von Wald – der Nationalpark Ankarafantsika.
Mein Zielgebiet ist ca. 30 Kilometer vor Majunga, eine entwaldete Einöde. Ich sehe Erosionsmuster, welche auf eine Erosion von teilweise über zwei Metern(!) schliessen lassen. Teilweise stehen Büsche auf kleinen Hügeln von 50 Zentimetern, als sie keimten war also die Erde noch 50 Zentimeter höher. An einer Stelle sehe ich eine Runde Erhebung, welche ungefähr das originale Niveau der Erde anzeigt. Es sind knapp drei Meter Erde, welche seit der Abholzung weggespült wurden. Früher wuchs hier ein dichter Wald, heute sind von den über 800 Pflanzenarten noch etwa drei Baumartige übriggeblieben, und eine Palmenart.
Ich wohne beim Distriktchef. Meine Aufgabe ist es, die Situation zu analysieren und ein Konzept zu erstellen, wie wir etwas in dieser Region bewegen können. Es herrscht Landflucht, die jungen Leute und teilweise ganze Familien wandern in die Städte und in andere Regionen. Die Erde ist ausgetrocknet, die Sonne brennt unerbittlich den ganzen Tag. 7-8 Monate im Jahr ist kein Regen zu erwarten, so richtigen Regen gibt es nur während 2-3 Monaten. In Ankarafantsika, dem Nationalpark nebenan, findet man das ganze Jahr frisches Wasser und die Vegetation ist stabil. Die Bäume halten dort die Feuchtigkeit über die ganze Trockenzeit. Hier draussen ist es aber unerbittlich geworden. Es gleicht einem Ökozid, dessen Opfer am Schluss auch der Mensch ist. Es erinnert mich an die geschichte Mesopotamiens, wo die Landwirtschaft begonnen hat. Die Entwaldung führt zu Bodenverlust und Dürre, das Leben wird hart und der Frieden unter den Menschen ist gestört. Hier draussen herrscht ein angespanntes Klima, viel wird über die Dahalos geredet, die Räuber, welche Vieh, Hühner und auch mehr und mehr Ernten stehlen.
Grosse Herden Kühe essen das nicht sehr dicht stehende Gras. Es wird zwar an manchen Stellen fast drei Meter hoch, und die Landschaft sieht nun in der Regenzeit sehr Grün aus. Dieser schein trügt aber. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass die meiste Erde nackt ist weil die Gräser mit
rechtem Abstand wachsen. Es sind keine dichten Wiesen wie bei uns. Und so brennt die Sonne direkt auf die sandige Erde und trocknet diese aus.
Die Kühe gehen auch gerne auf die Felder der Bauern, ein alter Konflikt, welcher schon lange die Menschheit beschäftigt. Schon Kain und Abel stritten sich, der eine Viehhirte, der ander Bauer. Nachts höre ich Bauern Lärm machen, sie versuchen das Vieh von den Feldern zu vertreiben. Das macht das Leben nicht einfacher.
Nach der Ernte reichen die Vorräte nicht das ganze Jahr, laut meinem Gastgeber herrscht seit einigen Jahren Hunger während der Trockenzeit. Dazu die Hitze. Zum Glück gibt es noch genügend Quellen für Trinkwasser. Zum Bewässern der Felder reicht es aber nicht.
Hier bin ich also. Und soll eine Lösung finden. Ich mache ausgedehnte Spaziergänge, in steter Begleitung, wegen der Dahalos. Wald. Das ist mein einziger Gedanke. Wie machen wir Wald?
Viel Wald.
Das fertige Konzept enthält eine Schule für Landwirtschaft sowie ein Zentrum zur Entwicklung verschiedener Techniken. Techniken zur Wiederherstellung des Waldes, Techniken für Landwirtschaft. Und wir werden versuchen, Dämme zu bauen, ich hoffe wir werden einigermassen lehmigen Boden finden. Der Boden ist sehr sandig. Und damit baut man nicht sehr gute Dämme.
Es wird sicher kein leichter Job nächstes Jahr wieder zu kommen, die Hitze macht mir schon nach drei Tagen zu schaffen. Hinzu kommt die angespannte soziale Situation. Wenn unser Partner das Konzept aber annimmt und die Mittel findet, dann werden wir uns der Herausforderung stellen. Was auch sonst?
Das krasseste Zuletzt. Der Wald wurde vor ca. 15 Jahren abgeholzt. Wie Heuschrecken haben einige hundert Menschen in nur 15 Jahren Mehrere Zehntausend Hektar Ökozid veranstaltet….
…mir fehlen die Worte wenn ich hier draussen stehe!
Resumée
Es geht schon lange nicht mehr nur um ein paar letzte Urwälder oder ein paar arme Bauern – auch wenn es hier genau um diese geht. Es geht um die Zukunft der Menschheit. Von uns und von ihnen. Der Direktor des ISTA hat es so nett gesagt; Wir begehen einen “autosuizid collective”, einen kollektiven Selbstmord. Wie die berühmten Bakterien in der Petrischale fressen wir blind unsere Lebensgrundlage auf – und werden dann gemeinsam im Abgrund landen. Das wird für niemanden schön. Auch nicht für die Superreichen, welche glauben, in ihren Inseln des Reichtums geschützt zu sein.
Wir verlieren unsere biologische Grundlage, die Öksoysteme, die Fruchtbarkeit, die Wälder, das Weltklima, welche auf den Wäldern basieren.
Wir ändern sogar die schiere Chemie unserer Weltmeere.
Alles basiert darauf, dass wir die Welt durch die Brille von Dogmas und Glaubensysteme betrachten, dass wir uns künstliche Rollen und Sozialsysteme aufgebaut haben; Wir wollen alle Jemand sein, und vergessen dabei, wer wir sind. Viele Probleme basieren darauf, dass wir in einem System der Herrschaft leben. Wir Menschen machen uns ungleich, spalten uns in Arm und Reich, in machtlos und mächtig, in Schwarz und Weiss und in Nationen. Anstatt in Kooperation leben wir in Konkurrenz. Und dieser Konkurrenzkampf beinhaltet die Logik der Ausbeutung, welche von Oben nach unten weitergeführt wird. Von den Herrschern zur Mittelklasse, von Mittelklasse zu den Armen, und die Armen beuten die Naturvölker und die Natur aus. Der Wald schreit nicht, der Ozean schiesst nicht zurück – noch nicht.
In blindem Zerstörungswahn, in unserem westlichen “Leben”, welches aus Konsum, Karriere und Rentenkasse besteht. In diesem Leben vergessen wir das echte Leben.
Das ist die pessimistische Sicht.
Das positive ist, dass wir das Internet haben. Das wir aufwachen und kommunizieren können. Das gute ist die Wissenschaft, die Vernunft, die Aufklärung, die Bildung und die Philosophie.
Die Regenerationsfähigkeit der Natur übersteigt jedes Vorstellungsvermögen. Wir können uns versöhnen, über die Grenzen von Hautfarbe, Religion, Nationen, Kontinenten und Kultur hinweg ein neues WIR finden. Wir können die Armut und den Reichtum überwinden. Die Herrschaft und die Untertänigkeit. Wir können unser Schicksal in die Hand nehmen.
Wir müssen es aber nicht. Wir können auch weitermachen wie bissher. Jeder einzelne muss selbst entscheiden. Tue, was die dein Herz sagt. Oder lass es.
“Solange Menschen kriechen, werden Menschen herrschen.”
Friedrich Schiller
Noch eine persönliche Note:
Ich bin dreissig geworden.
Ich werde weiterhin diese Arbeit in Madagaskar machen. Drei Monate im Jahr. Für den Rest der Zeit werde ich mich neuen Themen widmen. Bisher habe ich die meiste Arbeit alleine gemacht, das betrifft auch das Fundraising und die Kommunikationsarbeit in Europa. Besonders im letzten Jahr sind mir viele Menschen zur Hilfe geeilt, mehr und mehr entwickelt sich ein Team. All diesen Menschen möchte ich meinen Dank aussprechen, auch allen, mir bekannte und mir unbekannte, die uns Unterstützung in Form von Geld haben zukommen lassen. Vielen Dank.
Ich werde mich mehr und mehr aus der Arbeit in Europa herausnehmen und Platz machen. Die Arbeit wird dann stabiler und vielfältiger. Solltest du auch Lust verspüren, eine Aktive Rolle in dem Projekt einzunehmen, freuen wir uns über deine Mitarbeit.
Melde dich unter maitso@tany.ch
Aus Madagaskar,
Das Team tany!